Kapitel 6, Vers 45/2

„Niemandem kannst du durch das Wort deines Mundes das Herz so bewegen wie dein Herz von dem Wort innerlich bewegt ist. Es würde es aber bewegen, wenn wir das innere Wort selbst in sein Herz senken könnten - nun aber bringen wir nur das äußere Wort in sein Herz. Gewiss ist daran nicht das Wort schuld, sondern die, die es beim Reden nicht aufnehmen können. Denn dieses Wort kann nur in dir gesprochen und darum von dir nicht gehört werden, du müsstest denn in dir sein und nicht außer dir. Denn, wenn du das Wort hören willst, musst du da sein, wo es ertönt. es ertönt aber in dir“.

Luther dachte so, der doch den Worten vertraute (Psalmenvorlesung - )

Es gibt diesen Augenblick auf dem Feld in ‚jenen Tagen’, vor den Menschen, die jeder einen andren Grund haben, ihm zuzuhören. Und da sagt er: <’Was heißt ihr mich aber ‚Herr’! ‚Herr’! und tut nicht, was ich euch sage?’>

Ich aber!’ hatte er gesagt, am Anfang und nun läßt er sie wissen. ‚Ihr tut nicht, was ich euch sage!’

Sie wollen ihm sagen, daß er für sie ein Herr ist, aber es ist nicht das, was er von ihnen erwartet. Er sagt ihnen, daß er weiß, daß sie nicht tun werden, was er ihnen aufgibt.

‚Herr! Herr!’ werden sie trotzdem sagen zu dem, der ihre Vollkommenheit will und ihr vollkommenes Tun.

‚Herr! Herr!’ werden sie auch zu den Mächtigen der Welt sagen. An deren Herrlichkeiten hängen sich die Herzen, denen wird gefolgt und ihren Worten gehorcht als gelte es ihm. Sie hören ihm zu, aber sie sehen nicht den Ernst, mit dem er sagt: ‚Ihr tut nicht, was ich euch sage!’

‚Ihr tut nicht!’ sagt er.

Von den Bäumen müssen sie lernen, die von ihren Früchten her erkannt werden und gute Frucht wird von ihnen verlangt werden, die doch nur Menschen sind. Viele werden später vom Tun seiner Nachfolger sagen: ‚Wenn das die Früchte sind, die von diesem Baum stammen, den wir vor uns haben, dann kann der Baum nicht gut sein.’ Tief verborgen ist der ‚Schatz’ im Herzen - ein Abgrund zieht ihn in sich hinein und entzieht ihn dem, der danach greifen möchte und um des Guten willen ihn ergreifen mußte.

Ein Zwiespalt trennt das Sein des Herzens von allem Tun und Denken und dem Reden, das wie eine Hülle verbirgt.

Einmal war schon von einer Frucht die Rede gewesen, nach der die ersten Menschen gegriffen hatten, nach denen alle Menschen gebildet sind, die nun ihr Leben haben und den Tod kennen, den sie in sich tragen. Seitdem wissen sie, was das Gute und das Böse ist und das Leben gute und böse Früchte tragen läßt, nach denen jeder erkannt werden kann. Jeder kennt die Bäume, deren Frucht gebraucht werden kann, es gibt Namen für alle. Und jeder hat einmal nach der Frucht eines Baumes greifen wollen, der seinem Urbild nicht genügen konnte. Jeder hat einmal die Frucht verflucht, nach der er gegriffen hatte und die er verwarf, weil er wußte, wie die Frucht sein müsste, die gut für ihn war. Im Inneren sucht jeder nach einem Baum, der gute Früchte trägt. Aber noch im Baum, der nicht vollkommen ist in seinem Wachsen, in seinem Herkommen, in seinem Hervorbringen an Frucht, erscheint das Bild, nach dem er geworden ist, das in ihm als in einer anderen Wirklichkeit enthalten ist und zum Vorschein kommen muss in seiner Verkörperung, auch wenn dieser Körper nicht vollkommen ist und seinem Vorbild nicht standhalten kann.

Aber die Früchte und der Samen darin tragen noch immer das Bild des Baumes in sich, der ihnen allen seine Gültigkeit eingeprägt hat, und nicht vergeblich und umsonst gewachsen ist.

Deswegen bringt auch noch ein Baum mit innerer Fäulnis seine Früchte und misst nach seinem Maß, was um ihn wächst, aufstrebt, Raum beansprucht und verurteilen muss und nicht vergibt und hasst, um am Ende selber nach seinem Maß gemessen zu werden. Der Baum ist nur ein Gleichnis.

Und wenn Frucht abverlangt wird, weil sie erwartet werden kann, dann muss tief hinuntergegriffen werden, in den Vorrat, der angesammelt worden ist. Dann gilt auch, daß nicht beim Anderen nach dem Fehler gesucht werden soll, der ihn am richtigen Sehen hindert, in dem, worin er auf das sieht, was dieses Ich getan hat. Ein vollkommenes Ich würde nicht verdammen, es würde vergeben können, weil es sehen könnte, was im Anderen ist, den Schatz des Herzens, den Vorrat an allem, was ins Tun mündet, im Bösen, im Guten. Die Sicht der anderen ist jedoch auch verfälscht durch das, was sie in ihrem Vorrat mit sich tragen müssen, gesammelt in den vielen Jahren der Erfahrungen und des Erlebens und auch des Erleidens.

Von Geschlecht zu Geschlecht sammeln sich die Erfahrungen an und häufen sich zu Lasten, die in jedes Tun wirken.

Irgendwann wird nicht mehr gefragt werden. ‚Habt ihr getan, was andre euch gesagt haben?’ Jesus fragt dann oder Gott, der sein Vater ist. Jesus war deshalb auf den Berg gegangen, damit er hören konnte. ‚Du tust, was ich dir gesagt habe!’

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