Kapitel 2, Vers 1/1

Hineingeboren wurde er in die Geschichte, die ihre Geschichte bestimmen sollte, als in ein Erdreich, woraus sie hervorgewachsen waren und neu hineinwachsen mussten.

<Es begab sich aber ...> heißt es nun. In Wirklichkeit geschah das ‚andere Wirkliche’ in einer Zeit, in einer Landschaft, in einer Geschichte, vor der schon lange keine Menschen mehr ihr Dasein zu rechtfertigen brauchten. Das Land trug Namen und fügte sich den Schicksalen, welche die Menschen über es verhängten: Namen gelten, Herrschaften sind, Eigentum gehört dem einen, Besitz dem anderen, die hohen Herren haben eine Lebensgeschichte - und oft auch eine Geburtsgeschichte.

Alle anderen sterben ohne eine Geschichte und werden geboren ohne eine Geburtsgeschichte. Oder sie wird vergessen im Lauf des Lebens, wenn sich die andren Geschehnisse über ein Dasein legen, über das am Anfang doch auch ein Wort des Dankens und des Segnens gelegt worden war. Aber für die meisten gibt es kein Hintreten vor ihr Volk im Sinne eines ‚Offenbarmachens des Verborgenen’: und auch kein Einsetzen in die Wirkungsstätte, die ihnen zustünde. Ihr Beitragen zum Werk des Glaubens bleibt vor dem Volk verborgen.

Es begab sich! Aber gezählt wird nicht nach Jahren und den Jahrtausenden der Erde, sondern nach den Erinnerungen der Menschen, die sich an ihren bedeutungsvollen Tagen und Handlungen festhalten, festhalten wollen an den Lichtern, die sie an den Himmel fortwährenden Kommens und Gehens setzten, damit sie sich nicht verlieren im Dunkel der Geschehnisse und in der Finsternis des Kommenden.

<Es begab sich aber -!> Drohend liegt das ‚Aber!’ über dem Berichteten. Drohung geht aus von diesem: <- zu der Zeit, dass ein Gebot ausging ->. Immer gingen Gebote aus von Königen, von Herren, von Kaisern, gingen aus, fanden Gehorsam, forderten Gehorchen. Sie vernahmen das Gesagte, hörten das Wort in ihrer Sprache, dass es von einem Kaiser ausging, das Gebot.

Danach musste alles geschehen, sodass es ‚sich begab’, zu der Zeit, da das Gebot ausgegangen war, dass sich alles, was lebte, danach richtete und sich über alles, was danach das Leben haben würde, die Folgen dieses Gebotes legten. Es waren Gebote, die das Dasein zu erhalten halfen und dahinter verbargen sich Gebote, welche das Leben verdarben.

„In jenen Tagen -! hieß es, wurde Dogma genannt, was da von weit her ausging, auf sie zukam, über sie kam. Menschliche, göttliche Satzung wurde ihnen gegeben, ein neues Gesetz und ein neuer Gesetzgeber griffen nach ihnen. Von ‚jenen Tagen’ erzählten sie, zu allen Zeiten, wenn im Norden, wenn im Osten, wenn im Westen eine neue Sonne aufging und Zusammenhänge wirkte, die erst im Rückblick auf das ‚nach jenen Tagen’ verständlich wurden oder unbegreiflich blieben. Eine neue Saat wird aufgehen auf dem Feld der Geschichte und andere Saaten werden verdorren und vergehen. Von dem, was immer geschieht, bleiben nur Worte, Geschichten, Bilder, die sich aus dem nähren, was aus Geschehenem bis zu den Tagen der Lebenden geblieben ist, und nur da aufgenommen und beachtet werden, wo die Menschen ihren eigenen Grund finden, nach dem Vergangenen zu fragen und es mit zu tragen.

Es kamen die Tage, wo Maria gebären sollte. Jene Zeit rechnet sich nach anderen Setzungen, Geboten und Notwendigkeiten als jene Tage und Zeiten, die von den Geboten eines Kaisers in einer fremden Heiligen Stadt ausgingen. Aber es geschah zu den Zeiten, was zu allen Zeiten geschah: es kam die Zeit, da sie gebären sollte und hineingeboren werden musste ein Kind in Tage und Zeiten, von denen es nachher heißen sollte: Es geschah in jenen Tagen!

In Worten erhielt sich, was sich dem wahrnehmenden Bewusstsein und dem Miterleben entzog. Worte fassen als Gefäße, was sich im Ereignen begibt, ohne das Innere zu berühren und zu ergreifen. Ein Schutz liegt zu allen Zeiten über dem, was um einen herum geschieht und über die Einzelnen hinweg handelt.

Auch das Geborenwerden hat seine Zeit im Geschehen des Vielfältigen, was in die Welt kommen soll. Nach vielen Jahren danach ist es immer noch dem Wort, dem Begreifen zugänglich. Wie auch am Ende das Sterben im Wort zugänglich bleibt und aushaltbar ist, was im Geschehen selber sich dem Bewusstsein und der aufmerksamen Wahrnehmung nicht öffnen kann. Das Sterben der Anderen, die vielfältigen Tode gehen an einem vorbei, berühren von außen; nur im Wort, im Bild gibt es ein Ansehen, dem das Bewusstsein und das Begreifen standhält.

‚Jene Tage’ kommen als ‚ihre Tage’ und als seine erste Nacht und als sein erster Tag.

Ohne die Geschichte, die davor gelebt und erlitten worden ist, gibt es diese Geschichte einer Geburt nicht und ohne die Geschichten, die erinnert und weitergetragen wurden, wäre auch diese Geschichte nicht zur Geschichte geworden.

<Da machte sich auf auch Joseph aus Galiläa ->, einem Gebot gehorchend, das nach seinem Leben griff und doch auch einem Gebot gehorchend, das in jenen Tagen eine Frucht hervorbringen wollte. Ein Joseph machte sich auf, wie sich viele aufmachen mussten, wenn die Tage an sie herankamen, wo sie einem Gebot zu folgen hatten und damit selten auf den Wegen des Friedens gingen. Sie gingen auf Wegen, die nicht ihre Wege waren, folgten Weisungen auf Ziele hin, die sie nicht bestimmten und den Bestimmungen zuwider waren, denen sie hätten folgen sollen.

<Und sie gebar ihren ersten Sohn und ->: Stimmen von Erzählern werden da hörbar, die zurückweisen auf jene Tage, wo alles noch im Anfangen war und sich ein Mann aufgemacht hatte, um sich ‚schätzen’ zu lassen, damit er für eine Zeit in der Stadt wäre, ‚die da heißt Bethlehem’, und die Stadt Davids war.

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