<Danach sonderte Jesus andere siebzig aus und sandte sie ->: Andere hat er schon ausgeschickt und jetzt läßt er auch noch diese Anderen gehen, immer zu zweit, sich gegenseitig begleitend und sich innerlich im Gleichgewicht haltend. Sie werden zu den Mitmenschen geschickt. Wer zurücksieht, ist nicht geschickt worden, der hat auch nicht das Geschick für die Mitarbeit.
Sie werden ausgesandt und sind ausgesondert unter den Menschen. Er weiß es, er sagt es noch einmal deutlich: ‚Ich sende euch unter die Wölfe!’ Es gibt keine Warnung mehr der Herde und ihrer Hirten vor den Wölfen.
Er schickt sie unter die Wölfe. Es ist ein hartes Wort über die Menschen, deren Sprache sie sprechen, mit denen sie ihr Herkommen teilen. Es ist eine belastende Aufgabe, unter Menschen gehen zu müssen, die eine fremde Sprache sprechen, deren Herkommen sich dem eigenen Herkommen widersetzt, die nichts von den Hintergründen wissen, die hinter der Botschaft liegen, die ausgerichtet werden soll. Er traut ihnen das Geschick zu, unter Wölfen am Leben zu bleiben und auszurichten, wozu sie gesandt sind.
Die Ernte ist groß. Unter Wölfen sollen sie gehen als Arbeiter, die zur Ernte gehen. Sie kommen, haben keinen Beutel oder Taschen, in denen sie etwas wegtragen könnten. Sie bringen nur sich selber mit, haben nichts, womit sie sich schützen könnten, haben nichts, was sie verbergen müssten. Sie haben auch nichts, was die Wölfe auf Abstand hielte. Sie betreten die Wohnstätten und meinen es ernst, wenn sie sagen: ‚Friede sei diesem Hause!’
<Und wenn -> sagt Jesus. Wenn dann ein ‚Kind des Friedens’ unter den Fremden ist, dann wird der Friede auf diesem ‚Kind des Friedens’ sein.
Wenn Erkennen entgegenkommt, wärmendes Aufnahmen, dann teilen sie den Frieden fremden anderen Menschen.
Ein Gebot gibt er ihnen mit, das ihnen verwehren soll, sich zu stoßen an fremdem Brauch und fremder Sitte, mit denen sich Menschen schützen vor fremdem Zugriff und Einmischung. Daran, wie jemand isst und was er isst, wird seine Zugehörigkeit erkannt und sein Mitsein anerkannt oder seine Fremdheit und sein Für-sich-Sein erwiesen: <Esset und trinket, was man euch gibt!>
Die Anweisung ist einfach - das Gebot ist schlicht. Die Befolgung ist schwierig, verlangt zu viel an Selbstverleugnung. Wer am Tisch von Fremden einen Platz angeboten erhält, ist nur dann ein Kind des Friedens, wenn ihre Gewohnheiten des Essens und Trinkens und ihre Sitte keinen Widerstand und Ekel auslösen.
Von jetzt an gilt: <’Wer nicht gegen euch ist, der ist für euch!’ Von nun an müssen sie die Fähigkeit des Erkennens haben, mit der sie unterscheiden können, wer unter den vielen Menschen gegen sie und wer darunter für sie ist. Begegnen sie einem ‚Kind des Friedens’, dann werden sie sich erkennen.
Darum sagt er: <‚Grüßt niemand unterwegs!’>
Solange sie unterwegs sind, sollen sie nicht grüßen und nicht die Aufmerksamkeit des Begrüßtwerdens auf sich ziehen. Wenn der Friede mitgeht, braucht das nicht den Austausch von höflichen Worten und entsprechenden Handlungen, die aufeinander abgestimmt sind wie es dem Rang, dem Vermögen, der Macht des Andren angemessen ist. Für fremde unbeteiligte Augen mag es so aussehen, als gingen sie fremd und abweisend aneinander vorbei, als blickten sie nur auf ihren Weg.
Aber sie sehen dahin, wo die Menschen ihre Wege gehen und auf das, woran sie tragen und auf das, was sie zu verbergen trachten. Gruß und Wort, Ehrerbietung und höflich scheinende Anerkennung können sie denen überlassen, die sich misstrauisch beriechen, umkreisen und etwas ausstrahlen, was die Kinder des Friedens nicht haben können.
Der fremde Andere wird zu verstehen geben: ‚Kommt näher, kommt nahe - und bleibt für eine Zeit.’
Das ist dann ernst gemeint und braucht keine Vergewisserung und Absicherung. Ihr Friede, den sie mitbringen, stärkt und entfaltet Frieden, der im Andren wirkt. Es wären drei im Frieden beieinander, gleich, wie die Bedingungen umher aussehen würden. Er hat von einem ‚Kind des Friedens’ gesprochen, als hätte der Friede auch seine Kinder, wie alles seine Kinder hat.
Menschen begegnen sich auf ihren Wegen, erkenn sich als Freund oder Feind, als Du oder Ich. Unter Vielen sind auch die ‚Kinder des Friedens’ auf den Wegen der Welt unterwegs. Sie warten auf ein Antworten in den Augen des Fremden, ob ihnen Erkennen wird. Für einen Augenblick ist Freundschaft, tritt Friede ein.
‚Wenn: -!’ hat Jesus wieder einmal gesagt: ‚Wenn ein Kind des Friedens da sein wird - dann!’
Aller falscher Schein von Miteinander, Benutzen, Ausnutzen und sich gegenseitig die Lebendigkeit des Lebens neiden, ist dann fern, wie hinter sich gelassen.
Und noch einmal sagt er: „Esset, trinkt, was man euch gibt!“ Er selber hat so gelebt, hat nicht zurückgewiesen, was Andre ihm abgeben wollten, ihm abgeben konnten von dem geringen Eigenen: <Da esst, was euch vorgesetzt wird!>
Aber auch seine Leute sind wie Kinder, die nur essen können, was sie kennen, was ihnen vertraut ist und fremdes Anderes verabscheuen.
Nicht Essen oder Nicht-Essen ist noch wichtig, sondern daß es gegeben wird, wenn es einem vorgesetzt wird: ‚Setz dich, iß!’ Vertrautheit mit allen Menschen wird verlangt, solange sie nicht gegen einen sind, sondern einem geben von ihrem Eigenen und einen für eine Zeit bei sich behalten,
Er weist nicht zurück, was ihm von den Andren zukommt, von ihrem Essen, von ihren Ernten, von den Früchten ihrer Arbeit und von den Mühen ihres Daseins. Er nimmt es an, wie er die Menschen annehmen kann. Er wenigstens hat niemandem etwas weggenommen oder mit sich fortgetragen, um was es den Andren leid gewesen wäre. Er hat gegeben aus seinem Eigenen, wieder zurechtgebracht, geheilt, geholfen, berührt, wo Anrührung erwartet wurde.
Jeder kann um den andren wissen, ohne daß es besonderer Zeichen bedarf. Es braucht die vorgeschriebenen Regeln nicht, die unbedingt eingehalten werden müssen, weil ein ‚ich’ sich nicht die Anerkennung verscherzen möchte, die das ‚Grüßen’ im Anderen hervorrufen soll. Im Frieden wissen Menschen innerlich voneinander, sorgen sich umeinander, sind nicht: Herr! und ‚Du da!’, nicht großes ICH und kleines ich. Nicht großes WIR und nur das kleine ‚wir’, von dem es Legionen gibt. Und niemand muß mehr die Kraft aufbringen, mit der einer glaubt, daß die Stimmen ehrlich sind, wenn sie einen guten Tag wünschen oder: ‚Eine gute Nacht!’: wenn nicht auch klar ist, was der Inhalt dieser Wünsche ist und was der Andre bereit ist zu tun, damit die Wünsche auch wahr werden.
Als Kinder haben wir alle geglaubt, daß es in Liebe gesprochen war, wenn es hieß: ‚Gute Nacht!’ oder ‚Auf Wiedersehen!’
Ein kleines verlorenes ich wollte aus sich selber heraus glauben, daß das, was von den Großen ihm zukam, auch wirklich so gemeint gewesen ist, ernsthaft, verheißungsvoll und: ‚ganz für dich!’ Einmal wurde von jedem geglaubt, was ihm zugesagt, versprochen, verheißen worden ist.
Jedoch: man wird sich auch weiterhin voneinander unterscheiden mit Essen und Trinken, in Kleidung und Hausen, in Verteilung von Nahrung und dem Vorenthalten von Nahrung und Raum und Teilnahme und Vorenthalten an den Möglichkeiten des Lebens, den Mühen, den Sorgen, aber auch den Freuden und den Reichtümern und den Herrlichkeiten. Die Kunst, am Leben zu bleiben und Teile der Welt für sich zu gewinnen, besteht gerade im Auswählen, im Zurückweisen von allem, was nicht das Eigne verstärkt. Es ist weder ratsam noch nützlich, einfach zu bleiben bei Fremden und zu essen, was vorgesetzt wird. Seine Mitmenschen haben allen Grund, seinen Anweisungen zu misstrauen.
<Da esst, was euch wird vorgesetzt!> Das ist das Gebot, das ist ein: ‚Ihr sollt!’ Wer das nicht tun kann, ist nicht geschickt zum Reich Gottes. Wer nicht in ein Fremdes eingehen kann, ohne es zerstören zu müssen, wer nicht fähig ist, von ihnen aufgenommen zu werden, die doch Wölfe sind, der ist nicht geschickt.
Keinen Makel hat das, was vorgesetzt wird, kein Ekel, keine Schranke kann sich aufbauen und behindert das Eingehen in das Miteinander - die Fremden, die von draußen hereinkommen, bringen wenig mit, aber sie lassen den Anderen ihren Frieden. ‚Was euch wird vorgesetzt, das esst!’ - so einfach spricht er davon, was so schwierig zu machen ist, da doch jeder dahin zurücksieht, woher er kommt, woher er seine Gebräuche, seine Vorlieben und seine Zwänge mitbringt.
‚Nistet euch nicht ein!’ das gehört auch noch dazu: auch das Miteinander hat seine Zeit. <Heilet die Kranken!> werden sie angewiesen. Befasst mit den Leiden und Krankheiten, sollen sie zu diesen Menschen sagen: <Das Reich Gottes - ist nahe!> Und sind dabei selber aufmerksam, heilen Wunden und Krankheiten. Böse Geister hören auf ihre Worte. Sagt in das Leiden hinein: ‚Das Reich Gottes ist nahe!’ Nicht Ausrede, nicht verschleierndes Gerede vor der Wirklichkeit der Leidenden, sondern als Stimme tief eindringend in das dunkle, heimliche Innere eines fremden Menschen: ‚Ist nahe! Dir!’
Das ‚Reich Gottes’ ist nicht das Fremde, Drohende, das Furchtbare, kommt nicht wie ein Wolf, der über das Leben herfällt. Es ist nicht im Menschen, der schlimmer ist als alle Wölfe dieser Erde.
Wenn der Tod auf die Straßen kommt, in die Fenster steigt, die Himmel rot sind vom Feuer, das Menschen über ein Land werfen, das dann dunkel ist vom Blut und vom Sterben und von dem vielen Tod, der über allem liegt, wo einmal zu Hause gewesen ist - dann soll immer noch die Stimme eines Menschen sagen: ‚Das Reich Gottes - ist - nahe -.
Auch wenn es zuletzt ganz leise geflüstert werden muß und es doch noch einen Widerhall hat in den Seelen der Kinder des Friedens: ‚- nahe -‚.
Frömmigkeit meint, einem andren Leben so nahe sein können, daß eine Stimme die Botschaft tragen kann zu einem andren hin: ‚Das Reich Gottes - ist nahe bei dir!’ ‚Nahe! - hörst du!’ In der Stimme muß das Wissen mitschwingen, daß das Reich Gottes nahe ist. Vielleicht sterben die Stimmen, die davon sprechen. Vielleicht erlischt das Gehör dafür, wenn die Stimmen immer leiser werden. Etwas bleibt immer übrig von dem Wissen, das er in sie hineinlegte: <Doch sollt ihr wissen, daß euch das Reich Gottes nahe gewesen ist!>
An jedes Ich geht die Aufforderung: ‚Doch sollt ihr wissen: euch ist das Reich Gottes nahe gewesen!’ Seitdem muß ein Mensch öfter stille stehen und zurücksehen dorthin, wo das Reich Gottes einmal nahe gewesen ist.
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