Kapitel 6, Vers 1/5

‚Ich habe alles gesehen!’ sagte er.

„Die alten Männer, die sch’ma Jisrael murmelten, die Rabbiner, die Gebete sangen, die Mütter, die die Köpfe ihrer toten Kinder streichelten, die Kinder, die bis zum letzten Augenblick das Weinen verbissen haben.

Ich habe alles gehört, alles gehört.

Vater, Gott im Himmel.

Ich wollte, daß du es weißt -.“

„Was wirst du jetzt tun, da du es weißt?“

Einer hatte es gesehen, gehört, hatte es behalten, hatte es mit sich getragen, hatte so gesprochen, hat es aufgeschrieben.

Die Frage blieb: ‚Was wirst du jetzt tun, da du es weißt?’

Da war einer dabei gewesen, der das alles gesehen hatte und sein Leben davontrug und als eine Schuld weitertrug durch sein Leben. Er konnte nicht vergessen, litt daran. Er dachte an die Kinder, die sich bis zum letzten Augenblick das Weinen verbissen haben. Was wirst du tun, da du alles weißt? Um dann still zu sagen: ‚Was sollen wir jetzt tun, Gott?’

Sie haben sich das Weinen verbissen, bis zum letzten Augenblick, wehrlos und ohne Hilfe denen gegenüber, die alle auch vom Beten und Sprechen des Herzens gehört haben mussten. Denn es hieß auch in ihrem Buch: <Der nach Blutschuld fragt, gedenkt der Elenden und vergißt nicht ihr Schreien!> (Ps 9)

Die Kinder wollten es ihren Müttern und ihren Mitmenschen nicht noch schwerer machen. Sie haben nicht geweint und nicht geschrien. Sie waren Menschen, auch als Kinder.

Und die Anderen, die langen Reihen von Menschen hinter sich, von Geschlecht zu Geschlecht, und alle mit den Bildern ausgestattet, die Glauben meinten in Gott, der hilft und rettet: sie waren auch Menschen und kämpften für ein Land, das voller Kirchen war. Aber sie glaubten nicht, daß jemals eine Stimme sagen könnte: ‚Ich habe alles gesehen!’

Wer denkt nun noch an die Kinder, an das Leben, das sich das Weinen verbis, bis zum letzten Augenblick - .

Das Leben geht weiter. Es ist nichts geschehen. Man achtet weiter auf die Gebote und Verbote und sagt: ‚Gott hat gesagt!’ Es sind deshalb wenige, die nach den alten Worte leben: <Ich gedenke der alten Zeit, der vergangenen Jahre. Ich denke und sinne des Nachts und rede mit meinem Herzen.> (Ps 77)

Wer fragt nach dem Weshalb und Warum und denkt an das Leiden, auch wenn die kleinen Menschen damals sich das Weinen verbissen haben - wegen der anderen, wegen der Mutter, wegen der Brüder und Schwestern: - jetzt! - nur nicht - weinen!

Welches Weinen war in jedem Herzen eines jeden Lebens, das gewahrte, daß nun für immer alles vorbei war, was noch gar nicht Wirklichkeit hatte werden können - und nie würde es Kinder geben, denen sie hätten dienlich sein können.

In jedem von ihnen ging eine Welt zugrunde.

In allen von ihnen starb die Welt.

Menschen konnten das ertragen. Vermochte auch Gott zu ertragen und zu vergessen, was doch immer mitgehen müsste als Leiden und mitgehendes Wissen, bis zum letzten Augenblick, bei denen, die sich das Weinen nicht mehr verbeißen müssten vor denen, die töteten.

Und wenn Gott alles weiß, warum fragen noch die Menschen:

‚Warum? Weshalb?’ Sie wissen schon, warum und weshalb und fragen dann noch: ‚wozu sollte ich - ?’

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