Kapitel 14, Vers 1/1

An einem Sabbat kommt er, 'das Brot zu essen', als einer, der zur Sabbatfeier auch bei einem Vornehmen der Pharisäer willkommen ist, Teilhaber am Essen des Brotes.

<Und sie lauerten ihm auf!> Trotz Sabbat, trotz der Gebete, trotz der heimlichen Gegenwart dessen, wohin ihre Gebete gehen. Sie sehen auf ihn hin, aber ihn selber nehmen sie nicht wahr. Alles verläuft wieder nach Sitte und Brauch, nach den Regeln und in der Ordnung der Begrüßungen und des Platzanbietens und des Platznehmens; jeder steht an der gleichen Grenze von den sechs Tagen, in denen jeder seine Werke verrichtete und dem einen Tag, der sie still sein lassen will und innehalten läßt 'von allen ihren Werken.'

Die nächtliche Seite des Tages zieht herauf und die lichte Seite des Tages, welcher der siebte ist, kommt über sie - und alles war einmal gut gewesen, wenn vom siebten Tag hingesehen wurde. Der Alltag war angefüllt von unterdrücktem Klagen, von verborgenem Leiden, den Gesetzen der Lebenserhaltung unterworfen, den Zwängen der Arbeit und den harten Regeln des Zusammenhaltens und Zusammenlebens. Aus den Klagen der Gebete sollte die Bitte um Heil, um Erlösung aufsteigen und den erreichen, der das Licht gegeben hatte.

Nur ist diesmal das Lauern geblieben, das Lauern, das den Tiererinnerungen des Menschen zugehört, als es nötig war, den Andren als einen Feind zu erkennen.

Als Beute wurde er angenommen, als 'das Andere', das es zu vernichten galt oder zu verzehren. Dafür hatten sich alle Kräfte zu sammeln, und nur ein leises Atmen, die fühlbare Spannung bis in die Fingerspitzen und die Ruhe im Bauch, ein Innehalten innerer Bewegung waren Zeichen für die Bereitschaft zum Angriff.

Alle atmen die gleiche Luft und jeder atmet aus in die gleiche Luft und es tritt etwas aus jedem heraus, was sein Inneres ausmacht und sich den Anderen mitteilt. Es geht auch von dem kranken Menschen etwas aus, ein Seufzen der Bedrängnis, eine unhörbare Forderung auf Angesehenwerden. Denn im Hause seines Leibes selber lauert, was ihn gefährdet und belastet.

Stöße des bedrängten Herzens sind auch im Deutschen noch die Anfänge dieser Sätze: Und - es begab sich!

Und! Siehe da! Ein Mensch vor ihm!

Und Jesus hebt an, setzt an zum Reden.

Und! Dann! Faßt er ihn an legt die Hand auf ihn, greift nach ihm - ergreift ihn - und läßt ihn dann gehen. Und! Da können sie ihm keine Antwort geben! Und dann ist auch Jesus gegangen.

Als was blieben diese Menschen zurück, die zusammen waren, weil sie fromm waren – und sollten von allen ihren Werken, den guten wie ihren bösen, und alles an Kraft sammeln sollten, um Gottes und seiner Hände Werk zu gedenken? Als er kam, da wußten sie schon um den leidenden Mitmenschen und daß Jesus hinsehen würde auf ihn, mehr auf den, als auf sie selber und den Ruf annehmen würde, der vom Mitmenschen ausging. Und sie merkten nicht, daß auch von ihnen etwas ausging, was Jesus erreichte.

Sie sind nicht genügend versteckt, ihr Lauern ist nicht hinreichend unsichtbar, sodaß Jesus es wahrnehmen kann. Es ist zu viel von ihrer Seele darin enthalten, und ihre Augen sind nicht genügend gedeckt vor dem, was aus ihnen hervorbricht und den Anderen trifft. In ihren Augen ist nicht der Himmel, welcher am Sabbat über ihrer Welt aufgeht.

Sie blicken auf einen hin, der nur scheinbar geladen ist, um mit ihnen das Brot zu essen und teilzuhaben am Gebet. Da muß der Andre schon „anheben“, Kraft aufbringen im Körper, in der Seele, im Geiste, um dagegen anzugehen, daß sie ihn schon von vornherein zwingen wollen, sich klein zu machen, sich wegzuducken, auszuweichen, oder sich ihrem Angriff auszusetzen.

Und hebt an - der das schlichte Sachen umsetzt in ein Anheben, weiß, was Reden ist.

Auch da atmet es anders, ein Zurücknehmen aus dem vielfältigen Tun, ein Warten, ein Spannen im Bauch, das Eintreten der Leere, um sich auf das zu richten, was einer vor sich hat, um heben zu können, die Last, das Schwere - und hebt an gegen die Schwere, die von ihnen ausgeht, gegen ihren Widerstand, gegen ihren Widerwillen, gegen ihr Widerstreben, bringt die Worte hervor, gibt ihnen Laut und Gestalt, spricht gegen sie an, folgt dem Gebot, daß einer den Bruder nicht hassen soll im Herzen, (3.Mose 19,17), spricht aus seinem Herzen:

<'Ist's recht, am Sabbat zu heilen - oder nicht?'>

Ist es recht, dieses: 'oder nicht?' Recht, nicht zu heilen?

Wer gibt ihnen das Recht, zum Heilen ein 'Nein' zu sprechen?

Die Arbeit soll ruhen, die Kraft, welche von der Arbeit verzehrt wird, soll woanders hinfließen. Nun ist der Tag, wo die Menschen zur Ruhe kommen sollen von allen ihren Werken, ein Tag, der heilen soll - ein Nicht-Tun ist besser als das Tun und Tätigsein -und die Worte, Wortbilder und Erinnerungen füllen aus, wo die Leere eingetreten ist -.

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