Kapitel 6, Vers 36/5

Jesus kann seine Worte nicht als eine feierliche Formel gesprochen haben, bestimmt für ein heiliges Buch. Jesus sprach im Ernst, er sprach, daß es sie erreichte. Manches ging verloren davon. Mit dem, was blieb, würden sie hinausgehen in die Welt der Völker und würden mit diesen Worten und Geboten die Menschen erreichen, an ihnen tun, was sie doch auch wollten, daß ihnen angetan würde.

<Seid barmherzig!> sollten sie sagen, selber barmherzig sein, selber darauf angewiesen, daß andere ihnen barmherzig sind.

<Ich aber -!> ist nicht viel, wenn die Anderen alle mit den hohen und höchsten Autoritäten der Welt, mit Gott im Hintergrund reden und anordnen und fordern und verlangen und anderes gebieten und Gehorsam erzwingen.

Die Erinnerungsfähigkeit hat dieses Wort behalten, auch als die Mitmenschen selber Zeugen wurden seines Unterganges.

Er hat doch gesagt, damals, als noch alles im Werden und Wachsen war: <Liebet eure Feinde!> und sie hätten sagen können dem, der sie danach fragen kam, so viel später: ‚Und wir haben ihm geglaubt damals, aber nun fehlt uns die Kraft, jetzt, wo alles vorbei ist, wir wahren aber die Worte’.

‚Wer erweist nun noch die Wahrheit der Worte und ihre Wirksamkeit? Werden wir es sein müssen?’ Und: ‚Ist unsere Liebe, wie das Kämpfen der Anderen, nicht auch umsonst, vergeblich?’ Die Kraft, die im Hass steckt und Verderben wirkt, findet in vielen Menschen ihren Ausdruck, erscheint wie von Gott geschützt.

Jesu Worte machen die Verteidigungen der Selbstgerechtigkeit zunichte: <’...auch die Sünder lieben ihre Freunde! Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut - was für Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch!’>

Niemand entkommt dem Vorwurf, ein Sünder zu sein. Jedem ‚Guten’ gilt auch: ‚Das tun die Sünder auch alles’. Und erhalten Dank dafür.

<Ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein>, sagt er. ‚Kinder!’ sagt er von ihnen. ‚Euer Vater!’ sagt er. Ihr Vater wird barmherzig sein. ‚Gott ist <gütig über die Undankbaren und Bösen!> gibt er ihnen mit für ihren Weg. Das ist eine Weisung, um sie mit sich zu tragen als ein Wissen von Gott, der höher ist als alle Hohen und Höchsten, die hoch über allen ihren Sitz haben und Menschen ihren Willen aufdrücken.

Wie oft haben sie in seinen Worten jetzt vom Dank gehört, als sei das eine Frage, wo doch jeder auf jeden angewiesen ist, damit ihm ‚Dank’ wird. Vielleicht werden sie keinen Dank ernten, wenn sie tun, was er ihnen wagt zu sagen. Die Geschichte kennt wenig Dank und wenig an Anerkennung, die denen zugekommen wäre, die Kinder des Allerhöchsten waren, wo doch jeder nur das Kind eines Vaters und seiner Mutter ist und die wieder nur Kinder von Völkern, Nationen, von den vielen Menschengruppen, die einander feind sein müssen, damit sie nicht untergehen.

In den Zeiten, die kommen, wird es selten sein, daß gesagt wird: ‚Siehe! Ein Kind des Allerhöchsten!’ Nur weil kein Richten von ihm ausgeht, kein Hassen und Fluchen, kein Verdammen von ihm herkommt, kein Richten über Menschen und ihre Sünden.

In diesem Augenblick ist es wahr, als es ihr Erleben durchdringt: <Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überfließend Maß wird man in euren Schoß geben!> Von daher bestimmt sich seitdem das Maß, mit dem jeder messen soll; ein Reichtum ist gegeben, damit aus der Fülle geschöpft werden kann bei aller Armut und in der Not des Daseins.

Damit rührt er an die Schöpfungswirklichkeit, die geweckt, nicht niedergehalten werden soll, von der her alles aufsteigt, was die Wonne der Schöpfungswirklichkeit ausmacht.

Es wird auch Geltung behalten, das Wort vom vollen, gedrückten, und überfließenden Maß, wenn die, die richten und verdammen, nicht vergeben und keine Barmherzigkeit kennen, weil ihnen das volle Maß nicht ‚in ihren Schoß’ gegeben ist und sie mit ihren eigenen kärglichen Maßen messen.

Die Welt der Zukunft wird voll sein von den Maßen, mit denen gemessen wird und wonach geurteilt und gerichtet wird, weil jeder an jeden sein eignes Maß anlegt und immer mit dem Richten und den Folgen des Verdammens und Fluchens und Hassenmüssens mit allen Misshandlungen zu schaffen hat, was kein Segnen, kein Wohltun, kein Lieben aufhalten und verändern kann.

Denn ein ‚Vater, der barmherzig und gütig’ ist, muss immer zurücktreten vor den ‚Allerhöchsten’, welche sich alle Menschen zu Kindern machen und zu Knechten.

Die Väter aber der Völker, über welchen die Hülle liegt, werden Blinde sein, die anderen Blinden einen Weg weisen wollen. Sie leben von dem Glauben, als Sehende den Blinden den Weg zeigen zu können, obwohl sie selber mit blinden Augen ins Finstere starren. <Sie werden alle in die Grube fallen!> heißt es von ihnen. Auch das ist ein Prophezeien. Zeugen muss es geben, wenn eine verletzte Menschheit um ihr Dasein kämpft und blinde Blindenführer auf die falschen Wege führen und Zeugen dafür, daß die Blinden bis fast zuletzt glauben, daß die, von denen sie sich führen lassen, sehend sein müssten.

Er sieht schon nach denen, die in einer fernen Zukunft ihm folgen wollen, und sagt dann: <Der Jünger ist nicht über seinen Meister!> Es wird sich mancher als Meister sehen wollen, der über seinen Meister hinausgewachsen ist. Es wird vieler Künste bedürfen, um die Worte und ihren Sinn zu verhüllen und mit eigenen Bedürfnissen auszubessern .

‚Ich aber - sage euch!’ hat er gesagt: <Wenn der Jünger vollkommen ist - so ist er wie sein Meister!> Das ist ein Sprechen im Gleichnis. Vollkommen ist der Jünger, wenn er da angekommen ist, wo sein Meister war, als er das Erreichen der Vollkommenheit zusagte. Wenn einer unter seinen Jüngern sich als Meister angesehen wissen will, dann soll er sein - wie sein Meister!

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