Menschen sind um sie und einer tritt ihnen entgegen mit seinem: ‚Ich bitte dich, Meister! Sieh nach meinem Sohn -! Sieh nach ihm!’ Er ist sein Einziger. Ein Vater hat keinen Grund, den Leuten zu sagen: ‚Seht! Mein Kind!’
Zu oft haben sie wegsehen, weghören müssen, wenn das Kind aufschrie in seinem Entsetzen, wenn es herankam, die ersten Böen, das Zittern, die Spannung, die Leere, um dann hereinzubrechen, und an dem schwachen Lebenshaus zu reißen und zu zerrütten bis auf den Grund. Da wollte sich dem keuchenden Leib nur Gestammel entringen, vergebliches Fliehn und Wut und Entsetzen und Angst, die nicht mehr menschlich war.
‚Ich habe deine Jünger gebeten’, sagt der Mann. Er schämt sich, daß er seinem Kind keine besseren Gaben mitgegeben hat. Er fürchtet den Geist, der in seinem Kind tobt, er schämt sich, daß er an die Leute des Jesus herangetreten ist und sie beschämen mußte, weil sie sich nicht zu helfen wussten. Und weil sie seinem Sohn nicht helfen konnten. Ein Mann ‚unter dem Volk’ hat keinen andren Grund, um sich Jesus in den Weg zu stellen und er weiß nicht ihn anzureden, außer mit dem üblichen: ‚Meister!’
‚Er weicht kaum mehr von ihm,’ sagt der Mann. Es macht das Kind hin, das, was aus dem Dunkel, aus dem Unsichtbaren auf diesen kleinen Menschen hinstürzt.
Sie spüren sein Zögern; eben war er noch woanders gewesen. Es ist erst einen Tag her, daß die Drei ihn auch als einen Sohn erlebten, als den Sohn seines Vaters.
Dies hier ist so anders wieder. Ein Vater unter den Vätern des Volkes bittet um seinen Sohn, dessen Leben überschattet und bedroht ist von einer Wolke des Verderbens.
Die Jünger konnten nicht helfen, der Vater konnte es nur ertragen. Von einer Mutter ist nicht die Rede.
Aus dieser Wolke wird kein Licht kommen, aus einer solchen Wolke kann am Ende nur ein Blitz kommen, der das kleine Leben auflohen und verglühen lassen wird. Zögern ist bei Jesus und Müdigkeit und in seiner Rede ist dann Bitterkeit: Ein ‚verkehrtes, ein ungläubiges Geschlecht’.
Um: ‚Wie lange noch?’ und um seinen ‚Ausgang’ war es oben auf der Höhe gegangen. Wie der Ausgang des Mose gewesen war, ist in ihren Überlieferungen festgehalten; wie der Ausgang des Elia gewesen ist, davon wird noch immer im Volk erzählt. Es war nur einer dabei gewesen, der es wissen konnte. Auch da hatte einer aufgeschrien, als ein Leben an seinem Ausgang und Enden aufbrannte in einer Flamme, die wie mit feurigen Pferden den Lebenswagen mit sich riss und damit zum Himmel fuhr in einer ungeheuren Entfaltung von Kraft.
Elia blieb allein zurück, ein geschädigter Mann, von dem Bedrohung für die Kinder ausging.
‚Meister’, sagt der Mann und ist verlegen, weil er das nicht wollte und es auch nicht versteht. Oder er erträgt es nicht, daß das Leiden seines Kindes nur ein weiteres Zeichen sein soll für das verkehrte und ungläubige Geschlecht der Kinder Abrahams. <Wie lange soll ich bei euch sein und euch dulden!’ sagt der Mann, auf den alle hinsehen.
‚Dulden!’ hat er gesagt, flüsterte einer dem andren zu, als hätte er es eilig, von ihnen allen wegzukommen. Vielleicht war es ihm nur noch nicht wieder gelungen, unter die Menschen einzutauchen. Vielleicht war er einfach zu weit fort gewesen. Aber das Seufzen des gequälten Lebens in einem Kind, das dulden muß, war für ihn zu erkennen.
Es war für ihn zu hören, das Seufzen aus der Hölle eines Lebens, das auch den Anspruch hatte, auf die Höhe mit hinaufgenommen zu werden, damit die Wolke licht wurde, die dunkel über dem Kind lag und sich offenbaren sollte mit der Klarheit, die hinter ihr verborgen war.
Für eine kurze Zeit war ein Ekel zu spüren, eine Ungeduld mit dem ‚verkehrten Volk’; dann ist das Dunkel schon aufgehalten, sich anbahnender Zorn entlädt sich in: <Bring deinen Sohn her!> Schon sieht er auf diesen Menschen hin, der ihn braucht.
Die Leute sehen nur, wie er den Jungen seinem Vater wieder gibt, nachdem er ihn - eine Wolke war auch dabei um sie gewesen - aus den Netzen seiner Bedrohungen herausriss.
Entsetzt haben die Leute sich auch vorher, wenn der Junge von den Mächten ergriffen hin- und hergerissen schäumte und sich wälzte unter ihrem Ansturm. Auch jetzt beschlich sie ein heimliches Grauen und Entsetzen.
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