Kapitel 9, Vers 28/1

<Und es begab sich nach diesen Reden bei acht Tagen ->: nach dem Tag, dem sein Reden gehörte, waren, fast acht Tage vergangen. Es war ein geheiligter Tag gewesen, als sie bei ihm waren und er im Beten war. Und nach sieben Tagen ging noch einmal der Nachklang davon durch sie hin und dann war er mit ihnen aufgebrochen in seinen nächsten Tag: <- und ging auf einen Berg, zu beten.> Er war gegangen; sie waren mitgegangen, damit sie seinem Beten nahe sein konnten.

Er war schon einmal ‚hinauf’ gegangen, auf die Höhe. Jesus nahm nur drei von seinen Jüngern mit, führte sie hinauf auf einen Berg.

Leise Böen künden den Wind an, der als Sturm über einen herfällt. Tau, der vom Himmel fällt des Nachts, zeugt von einem schönen Tag. Ein Schauder geht über einen Körper und das Leben weiß, daß es einem Geheimnisvollen und Fremden gegenübersteht. Kein Gedanke, keine Erinnerung, keine Bewegung darf die Stille stören, wenn ein Hauch des Geistes anrührt und erzittern läßt, was an Leben sich bereit hält. Glauben ist jetzt das Antworten.

Niemand ist ihnen gefolgt, niemand ist auf der Höhe zu Hause. Keines Menschen Auge sieht sie, vor niemandem müssen sie sich schützen.

Das <Aussehen seines Angesichtes> wird <anders.> Vertrautes schwindet hin.- Aus einem fremdgewordenen Angesicht spricht fremde Welt.

Andere Erfahrungen prägen sich aus, ein anderes Gesicht sieht auf sie. Einen Anderen glauben sie zu sehen. Und haben die Worte noch in sich vom Sehen des Reiches Gottes, schließen nicht die Augen vor allem, was sie sehen. Angst und Furcht verderben nicht die Wahrnehmung, stören nicht den Strom des Gefühles, das zu ihm hinzieht. Eine andere Kraft und ein anderer Lebensfluss greifen in sie ein.

Gegenwart ist.

Da sehen sie, wie seinem Gewand alle Farbe schwindet und weiß wird und in einem Licht erstrahlt, das nicht das Licht der Sonne sein kann. <Und siehe!> versuchen sie später davon zu sagen, um ihre Hörer hineinzuziehen in das Sehen, das sich ihnen offenbarte. Aus dem Licht brechen hervor, die ihnen schon lange vergangen scheinen: Mose und Elia sind für Jesus da, ihre Klarheit läßt sie gegenwärtig sein. Vergangenes ist nicht vergangen, Lebendigkeit ist nicht verloren gegangen, sie sind nicht im Tod geblieben.

Da liegt es vor ihren Augen, das ganze Land und die Heilige Stadt und das, was geschehen soll, wenn er angekommen ist. Jesus wird seinen Ausgang erfüllen, in Jerusalem - der Tag Gottes wird über der Stadt anbrechen und in seinem Licht werden sie seinen Ausgang erleben. Empfänger seines Offenbarwerdens sind sie und Zeugen seiner Bestimmung.

Die Stimme Gottes ist über ihnen, Licht geht von ihm aus und hüllt sie ein. Worte dringen an sie heran und enthüllen, was werden soll. Als Gefährten machten sie sich mit Jesus auf den Weg, brachen mit allem, was sie hielt, um mit ihm hinaufzugehen. Das Sehen des Reiches Gottes gewinnen sie.

Vergangenheit ist nicht vergangen, Zukünftiges ist gegenwärtig. Menschen, die dem Bilde ähnlich geworden waren, das Gott in seine Menschheit gegeben hatte, sind nicht verborgen geblieben, sind gegenwärtig und stehen mit Jesus zusammen, der vor ihren Augen anders geworden ist, anders, als sie ihn gekannt haben bisher und in einer Klarheit erscheint, die sie nicht kennen. Mit Gottes Sohn sind sie auf der Höhe.

Nicht die Reiche der ganzen Welt und ihre Herrlichkeit konnte er ihnen zeigen, aber die Wege des Reiches Gottes kann er sie sehen lassen. Sie können sie die Stimme nicht hören können, die in diesen Augenblicken nicht mit menschlicher Sprache spricht.

Aber wie Quellen in einem Land, das bisher dürr geblieben war, springen Worte in ihnen auf, gespeist von einem Wasser, das vom Himmel kommt, der anders ist als der Himmel, unter dem sie bisher ihr Leben hatten. Umgeben von diesem Himmel wird ihnen das Erkennen gegeben, daß „des Menschen Sohn muß leiden und verworfen werden und getötet werden!“ Keine Furcht, kein Erschrecken ist dabei, sie sehen in die Wahrheit der Worte und tragen schon mit an ihrer Wirklichkeit.

Für Mose und Elia hat es einen ‚dritten Tag’ gegeben.

Viele Stimmen hatten zu ihnen gesprochen, viele Stimmen hatten sich in ihnen Gehör verschafft, bis sie auf die eine Stimme hören konnten, die nach ihnen rief und sie löste aus ihren Verhängnissen.

Schlaf, ein tiefer Schlaf ließ sie versinken, nahm sie auf, barg sie und gab ihnen Ruhen und Friede. Ein Schlafen ließ sie zurücksinken in den Schoß, aus dem sie gekommen waren und ohne dessen Berührung in den Nächten der Mensch nicht zu seinen Tagen erwachen kann - jeder Tag ein mühsames Aufrichten gegen den Sog, der aus der Tiefe kommt und sie eines Tages zurücksinken läßt in den Grund, aus dem sie aufwuchsen.

Dann versinkt auch alles an Schuld, an Sünde, an dem sich das Leben geschleppt hatte, zurück in den Grund, aus dem dann andres wachsen muß. Versagen, Traurigkeit, Ermüdung, das Tragen an den Lasten und Freuden des Lebens findet Aufnahme in den Schlaf, gibt Ruhe und Vergessen vor den Tagen.

“Als sie aber aufwachten, sahen sie!“

Da wollten sie bleiben, für immer in diesem Sehen bleiben. Petrus redete von Hütten und von einem Zelt; er konnte nicht wissen, was er redete, weil dieses Zelt nicht von Menschenhänden gemacht werden kann.

Schatten fällt über den Berg, eine Wolke zieht über sie her. In der Stille, die über allem liegt, hören sie nur noch hin auf die Stimme, von der die Worte ihnen zukommen: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, den sollt ihr hören!“

Ihre Ohren sind aufgetan, ihre Augen geöffnet.

Gott öffnet sein Wort ihrem Hören und legt es in ihren Mund. Es waren Wolke und Schatten über sie hingezogen; das Licht schwand, in dessen Klarheit sie Jesus in seiner anderen Gestalt gesehen haben.

Wieder wachten sie auf. Da waren sie allein, waren wieder mit Jesus. Sie waren auf dem Berg. Weit weg waren die Menschen, weit fort ihre ganze Welt. Der Tag war vergangen, die Nacht war um sie, als sie auf der Höhe waren und mit Jesus im Beten blieben.

Danach blieben nur Schweigen und Stillesein. Das konnte nicht in Worte eingehen. Das konnte nur mitgenommen werden, als sie auch von der Höhe wieder aufbrechen mussten und nichts dort oben zurückließen, was als Zeugnis hätte bleiben können, kein Zeichen, das sie wiederfinden konnten, um sich zu vergewissern, daß das alles geschehen war, was nun in ihrer Erinnerung einen Platz gefunden hat.

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