Gerüchte und Geschichten wurden dem König zugetragen. Hinter diesem: <Es kam aber vor Herodes!> lauerte eine Wahrheit, die Unruhe bewirkte. Er merkte, daß hinter diesem Jesus, von dem die Rede ging, noch andere Gestalten wirkten. ‚Sollte Elia wieder erschienen sein?’ Die Handlungen des Jesus erschienen ihm wie Zeichen, die darauf hindeuteten, dass Johannes von den Toten wiederkam. Er konnte nur hoffen, daß nur einer der üblichen Propheten wiedergekehrt war, mit denen die Könige im Amt schon immer ihre Schwierigkeiten gehabt hatten.
Er konnte sicher sein: ‚Johannes habe ich enthauptet!’ Niemand sollte behaupten, er habe ihn umbringen lassen, weil er ein Prophet gewesen ist. Die Leute mussten glauben, daß es ihm aus ganz anderen Gründen ans Leben ging.
Die verwirrende Frage trieb ihn um: ‚Wer war der Andere?’
Die Unruhe, die ihn erfasste, hatte tiefere Gründe, als er sich eingestehen wollte. Wenn einer getötet war und ein anderer war doch noch da, dann konnte die Bedrohung viel größer sein, als daß es sich auf den Streit zwischen einem König und seinem Widersacher beschränken ließe, was da auf das Volk und seinen König zukam.
‚Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland!’ Für die Wirkung eines Propheten hatte es bisher immer eine Grenze gegeben. Diese Menschen meinten fortwährend, sie würden zu wenig gelten oder nichts, und zugleich glaubten sie, ihnen müsste Geltung zukommen für das, was sie zu verkünden hatten. Aber dazugehören wollten sie nicht, nicht in den Häusern leben und alles haben, was ihr Vaterland zu geben hatte, wenn sie ihm nur dienen wollten. Aber jeder von ihnen hatte so getan, als gäbe es für ihn ein anderes Vaterland, das einen eigenen Anspruch hatte und sie in den Widerstand trieb gegen die Ordnung, gegen den König, gegen alle Völkerväter. Ein Prophet kann nicht zurückkehren, niemand kann von den Toten zurückkommen. Dennoch bleibt die Unruhe. Er hat nur gehört von ihm und merkt doch schon seine Gegenwart. Eine fremde Macht hat ihre Boten auf die Straßen und Wege seines Landes geschickt.
Er hat Angst. Er hat töten lassen. Aber er begehrt, den Anderen zu sehen. Auch ein König will seinem Widersacher begegnen.
Der Andere steht nicht vor seinem Hause und bittet nicht um Einlaß und erwartet keine Gastfreundschaft. Nicht mehr wird ein Prophet zu einem König gehen, um vor ihm zu stehen zur Rede und Gegenrede.
Der Tod des einen Propheten hatte einen Schatten geworfen, der ihn schaudern ließ. Schon einmal hatte es gesprochen: <Gebt eurem Gott die Ehre, ehe es denn finster wird und ehe eure Füße sich an den dunklen Bergen stoßen und ihr auf das Licht wartet! Sage dem König und der Königinmutter: ‚Setzt euch ganz nach unten! Denn die Krone der Herrlichkeit ist euch vom Haupt gefallen!> (Jer 13)
Es hat Zeichen gegeben, die nicht am Himmel geschahen, sondern unten unter den Menschen seines Volkes. Er fühlte das Muss, wie es ihn bedrängte. Deshalb begehrte er, ihn zu sehen! Er möchte ihm Rede und Antwort stehen, einmal wenigstens fragen dürfen, hören können und ihn sehen dürfen. Nach allem, was geschehen ist oder vielleicht zum letzten Male geschieht: Ein Prophet spricht zu seinem König! Ein König steht vor seinem Propheten!
Ein Geheimnis ist um ihn, das ihn seinem Zugriff entzieht und das ihn anzieht.
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