Kapitel 9, Vers 23/2

Hiob sah keinen Grund, sich selbst zu verleugnen, wenn er fragte: „Hab ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht? Hab ich mich gefreut, daß ich großes Gut besaß’? ‚Hab ich das Licht angesehen, wenn es hell leuchtete, und den Mond, wenn er herrlich dahinzog? Hab ich mich gefreut, wenn’s meinem Feinde übel ging’? Keinen gab es, der ‚nicht satt geworden ist, kein Fremder durfte draußen bleiben zur Nacht’. Er hat seine Übertretungen nicht zugedeckt, nur weil er sich grauen ließ vor der großen Menge. (Hiob 31).

Dann war er darüber hinaus, wo nur galt, was einer darstellte in der Mitte der Andren. Es hat ihn hinaus auf einen Weg gerissen, den er von sich selber her nie gegangen wäre.

Was gut und wichtig war ein Leben lang, war verworfen worden. Er hatte auch „Weizen gesät, aber Dornen geerntet!“ (Jer 12) Aber hatte dafür auf den Anruf gehört: <Tretet hin an die Wege und schauet und fragt nach den Wegen der Vorzeit!> (Jer 6) Ein altes Ich-Selbst war verloren gegangen und ein neu herausgewachsenes Ich-Selbst konnte aus der Erfahrung ihm zugekommener Einsicht und Erkenntnis von sich selber sagen: <Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. So werde ich doch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen.> (Hiob 19)

Das verleugnete ‚ich selbst’ greift allem Verleugnen durch die Mitmenschen voraus, weil die Aufmerksamkeit, das allem Leben eigene Begehren und Verlangen, sich dann darauf richtet, vor Gott nicht verworfen zu werden. Dann spricht es im Inneren: Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!> (Ps 51)

<Ich aber sage euch - > ist Menschen zugesprochen, deren Ich die Kraft hat, nicht in der Alltäglichkeit zu verwurzelt zu glauben. <’Es sind etliche von denen, die hier stehen, die werden den Tod nicht schmecken, bis daß sie das Reich Gottes sehen!’> spricht er in ihre Gegenwart. Niemand braucht mehr auf die Anderen zu sehen, um herauszufinden, was hinter deren Stirnen vor sich gehen mag, was die stillen Gesichter verbergen, die Jesus zugewandten. Jetzt nicht dem eigenen Ich erlauben, sich einzumischen, nicht sich einbringen in den Strom der Worte, um sie zu prüfen, nicht die Stille stören, die wie ein Friede durch einen hindurchzieht und Geist und Leib erfüllt.

Da muß jeder die Augen schließen, um mit ganzer Hingabe aufnehmen zu können - ohne Widerstand, ohne Bitterkeit und ohne die fälschenden Erinnerungen und Zweifel eigner Lebenserfahrung.

<Wer sich aber mein und meiner Worte schämt - !> sagt er in ihr Schweigen, als wisse er schon, daß sich kein ‚Ich’ verleugnen kann, wenn die Alltäglichkeit mit ihren Zwängen erst wiederkommt. Der Druck von seiten der Mitmenschen ist stark und zwingt zu leugnen, vor den Andren und vor sich selber vielleicht, in Jesu Gegenwart von seinen Worten erreicht und ergriffen worden zu sein und geglaubt zu haben, was er da gesprochen hat.

‚Ich wollte Weizen säen - und ich habe Dornen geerntet!’ hat sich mancher eingestanden, wenn ein der eigenen Geschichte nachdenkender Verstand sich eingestehen mußte, einer Geschichte gefolgt zu sein, die ein anderer lebte und in sie hineingezogen hatte, die seinen Worten ihren Glauben, ihr ganzes Vertrauen schenkten, ohne daran zu denken, daß es nicht die eigene Geschichte sein konnte. Einer Geschichte wurde nachgelebt, die dann doch zur eigenen Geschichte wurde.

Es ist eine zu schwere Last, wenn jemand aus sich selber zwei Geschichten leben möchte.

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