Kapitel 11, Vers 33/1

Als er sagt. <Niemand zündet ein Licht an und setzt es in einen Winkel!> spricht er in einem Gleichnis des Alltäglichen, weil jeder selber sehen muß, welcher Anspruch hinter dem Gleichnis darauf wartet, entdeckt zu werden. Und er spricht im Gleichnis, weil er schon ein Urteil hat über die Hör- und Aufnahmefähigkeit dieses Geschlechts. Das Sehen muß bis dahin gehen, wo der Gleichklang sich aufdrängt: 'Gib uns - was wir täglich bedürfen, brauchen, notwendig haben!' und: Vergib uns! Führe uns nicht in Versuchung!' 'Nie mehr!' Es soll nicht mehr geschehen, daß die Versuchung hervorgerufen wird. Nicht von den Menschen, die des 'Menschen Sohn' gesehen haben, soll das ausgehen, wozu die Menschen imstande sind, wenn sie glauben, daß ihr Leben bedroht ist.

Jeder sieht an den Blicken eines Anderen, sieht im Spiegel der Augen, die fremd auf ihn blicken, daß er nicht richtig, daß er selber falsch gesehen wird; jeder muß begreifen, daß die Anderen ihn selber auch so sehen, als einen, der verfälscht sieht.

Und der Leib handelt nach dem, was seine Augen wahrnehmen. 'Siehst du?' fragt einer den Andren. 'Hast du gesehen?' fragt eine Stimme im Alltäglichen, im seltenen Augenblick des Erschreckens, des Erstaunens, im Hinweis auf die Fähigkeiten, die ein Mensch zu lernen hat und im Augenblick einer Erfahrung.

Auf der Arbeit - ein Meister muß zeigen, wie es gemacht wird, ein Meister in der Kunst muß sich des Sehens annehmen - es muß alles gezeigt werden - und abgesehen werden - auch die Mühen, die es macht, um vor andren und vor sich selber im richtigen Licht zu erscheinen, müssen andren abgesehen werden: die 'schöne Rede', die überredet, die gelingende Selbstdarstellung und die Entfaltung einer 'strahlenden Persönlichkeit', die die Andren zwingt, zu einem aufzusehen und die Überzeugungskunst, damit man wert gehalten wird vor andren.

Das kluge Umgehen mit dem Wissen muß andren abgesehen werden, die sich die Erkenntnis zunutze machen, daß Menschen nicht lauter zu sehen vermögen und Täuschungen brauchen.

<Wenn aber dein Auge böse ist>. 'Wenn' hat Jesus wieder gesagt. Wenn das Auge, geschaffen, um die Welt zu sehen, böse auf diese Weit sieht - dann: eine Folge tritt ein. Ein böses Sehen wirkt sich aus und wirkt ein: Der Leib wird finster.

'Sieh! Sieh doch!' sagen die vielen Stimmen, sprechen die Werke, von Menschen geschaffen, um am Sehen Anteil zu geben.

'Sieh doch!' sagt auch Jesus, 'das Innere ist finster, voll Raub und Bosheit und auch die schönen Gefäße mit ihrem Glänzen bergen Böses und verbergen’. <'So schaue darauf, daß nicht das Licht in dir Finsternis sei!'>

So hat es jedem gegolten, den die Worte seitdem erreichten; und mancher wollte glauben, daß ein Leuchten zu sehen sei, wenn die Einladung und Aufforderung erging, ‚einzugehen' dorthin, wo das Licht auch ihm leuchten sollte.

Die Stimme fragte: 'Was siehst du?' Ein Mensch antwortete: „Ich sehe einen erwachenden Zweig!“ (Jer 1) Die Stimme fragt: 'Was siehst Du?' Die Antwort ist: 'Ich sehe, daß das Licht in mir FINSTERNIS ist.'

Nie mehr kann ein Ich zu einem andren sagen: 'Mitmensch!' 'Sieh doch bei mir: Mein Licht!' Und kein Mensch hat anzubieten, bei ihm einzugehen, solange er zu bekennen hat: 'das Licht in mir': 'ist Finsternis!'

Die Welt ist voll von den Zeugnissen der Mühen, der furchtbaren Mühen, Reinheit und Schönheit herzustellen - vor aller Augen die Gefäße rein dastehen zu lassen, welche die Finsternis verhüllen, die die Menschen in sich tragen.

<Finsternis ist wie das Licht!> (Ps 139) kann nur aus der Erfahrung nachgebetet werden, daß der "Leib ganz licht" wurde. Oder die Stimme des Inneren bittet in der Erwartung, daß eine Verwandlung der Finsternis geschieht.

In einem einzigen Augenblick kann das Licht der ganzen Welt dem Leben ausgelöscht werden. In einem Augenblick kann der Leib, dem das Licht verheißen ist, um sein Leben gebracht werden, kann ihm das Licht des Lebens genommen werden.

Werden Menschen die Wandlung der Finsternis in Licht dann auch noch gewahren? Welches Licht ist nötig, um dann noch sehen zu können, wie Finsternis licht wird?

Wenn das Licht der Welt vergeht, vermag dann die Stimme des Glaubens immer noch zu sprechen: 'In deinem Licht sehen wir das Licht?' (Ps 36, 1o) Eine andere Art von Licht ist nötig, damit die Worte zu leuchten beginnen.

Das Licht, das der Leib verlangt zu sehen, liegt unter den Schatten der Finsternis. Die Geschäftigkeit, die Sorgen, die Mühen des Daseins greifen wieder nach den Menschen, nachdem das Licht sie erfüllte. Und sie tauchen wieder ein in die Unruhe und in die Nöte ihres Daseins. Die Freuden des Lebens entschädigen wieder für die Unruhe, das Suchen und Arbeiten, das Werden und Vergehen, ohne daß die Wunden, die Schmerzen und das Sterben eine Antwort erhalten können.

" Wenn nun dein Auge lauter ist -', hat er gesagt, lange vor unserer Zeit, "wenn!“

'Dein Auge!' klingt es noch immer auch bei dem, der mit seinen Augen auf diese Worte hinsieht: 'Wenn mein Auge lauter ist, dann ist mein ganzer Leib licht'. Das eigene Auge kann nicht lauter sein, weil es nicht geläutert worden ist in seinem Sehen, wie das Sehen jener Menschen, die gesprochen und manchmal geschrieben haben und in ihren Herzen immer wieder haben sprechen müssen: 'Ich habe es gesehen: Meine Augen haben alles gesehen - ' In dem Licht, das Gott gegeben hat, ist alles sichtbar geworden und sichtbar geblieben, was Menschen einander antun und nicht wahrnehmen wollen und nicht wahrhaben können. Da ist das Licht zur Finsternis geworden; seitdem sehen die Augen nur noch in dem Licht, das Gott gibt, was geschehen ist und wenn es auch nur ein winziger Teil ist von dem großen Grauen und dem Strom der Finsternis, der über alle Länder geht und über ihre Menschen.

Viele machen es wie Martha, die sich um den Besuch sorgte und die es ihrem Gast recht machen wollte mit den Möglichkeiten, die sie hatte. Sie selber jedoch wollte in Ruhe gelassen sein, mit ihrem geringen Kummer alleine bleiben, in der Küche, bei der Arbeit, auch wenn ihr sein Besuch nur noch mehr Arbeit machte. Sie drängte sich nicht an ihn wie ihre Schwester, um beachtet zu werden und sich hineinziehen lassen in seine Gedanken, verleitet dazu, seine Wege mitzudenken oder gar mitzugehen, weil es sie nichts angehen konnte, was ihren Gast umtrieb. Sie wollte nicht so tun, als könne sie ihm eine Schwester sein. Sie bestand nur auf ihrem Recht, daß er zu wissen kriegte, daß sie sich viel Mühe und Arbeit um ihn machte.

Zu wissen sollte er kriegen, ihr Gast, der ein Recht darauf hatte, versorgt zu werden, daß ihre Schwester es nicht richtig machte, wenn sie in eine Beziehung eintrat, in der eine solche Stille war, daß sie als Schwester davon sich ausgeschlossen fühlen mußte.

Die Worte der Schrift mußten geachtet werden und es sollte auch weiter so sein, daß im Tempel gesungen wurde. 'In deinem Licht sehen wir das Licht!' Aber in einem alltäglichen Dasein hatte das alles nichts zu suchen, wo es schlicht um die Mühen und die Lasten der Gastfreundschaft ging. Daraus sollte auch eine Schwester keinen Gottesdienst oder eine Versammlung der Heiligen machen dürfen.

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