Kapitel 11, Vers 1/2

"Dein Wort ist wahr und trüget nicht und hält gewiss, was es verspricht, im Tod und auch im Leben: Du bist nun mein und ich bin dein, dir hab ich mich ergeben" haben sie gesungen, die uns die Worte gaben, die sich in uns einsenkten und geblieben sind. (EG 473)

<Gott! Lass uns dein Heil schauen!> wurde gebetet auf der Grenze zwischen Tag und Nacht, auf der Grenze zwischen Erde und Himmel, auf der Grenze von Leben und Sterben. (EG 482) Menschen haben so gesprochen beim Weinen und in der Freude, beim Gewahrwerden dessen, was an Geschehen um sie herum war und beim Gewahrwerden, wonach es das Leben in einem verlangte und wonach es auf der Suche bleiben musste.

Alle Reiche der ganzen Welt und ihr Reichtum und ihre Verheißungen stehen vor den Augen, die sich abwenden sollen, um auf das Kommen des andren Reiches zu warten: 'Dein Reich komme!'

'Meine Hand ist des Nachts ausgestreckt!' hat einer lange vor uns gesagt, damit wir es wissen, wenn es für uns so weit ist, dass die Stimme in uns spricht: <'Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trocknem, dürren Land, wo kein Wasser ist.'> (PS 63)

Noch auf der Grenze von Licht und Finsternis soll die Stimme des Herzens sagen: <’Du hältst mich bei deiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.'> Dann ist die Seele im Frieden: <'Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.'> Bis dahin ist ausreichend viel an Kraft und Wissen gesammelt, damit die Einsicht trägt: <'Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil!'> (PS 73)

Dann erst kann mit ganzem Herzen gesprochen werden: „Dein Reich komme! Dein Wille geschehe!“ Darin sind dann alle Irrtümer aufgehoben, dahin gehen alle Wege, auf denen immer wieder gesagt und gelebt wurde: 'Dein Wille geschehe!' 'Dein Reich komme!''

So soll der Mensch sprechen, selbst wenn die Erwartung und das Bitten immer auf Menschen ausgegangen ist und kein Antworten erhalten konnte oder Antworten hervorgerufen hatte, die keine Erfüllung waren.

Es ist ganz einfach, es ist ganz schlicht, was das Leben in der Welt zusammenhält und wonach es fortwährend umgetrieben wird auf der Suche danach, wo es bleiben kann. An die Mutter, an einen Vater geht die Bitte, geht das Begehren: 'Gib uns!' 'Bitte!' sagt ein Mensch, fordern muss sein Leben, dass ihm gegeben wird, wo es sich nicht nehmen kann oder wo nichts ist, was es sich einverleiben könnte.

Bitten muss ein Leben, damit es erhält, womit es leben kann, bis die Flamme seiner Lebendigkeit so groß geworden ist, dass sie sich selber greifen kann, was sie zu ihrer Erhaltung braucht. Aber auch die Flamme erlischt, wenn sie verbraucht hat, wovon sie sich nährte. Asche bleibt, silbriger Staub, der verweht ist, wenn die Stelle überwächst, auf der sie gebrannt hat.

'Gib mir!' fleht das Leben, wenn es vorbei ist mit dem Gegebenkriegen, mit dem Genährtwerden, mit dem Gehaltensein. Wenn es vorbei ist mit dem Nehmen und mit der Gewalt, die nach dem greift, womit sich das Leben täglich erhalten kann und was es glaubt zu brauchen, damit seine Lebendigkeit stark und strahlend ist. dann muss darum gebeten werden, was tägliches Brot ist immerdar.

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