Eine kleine Geschichte ist im Werden, von dem aus erlebt, der darauf angewiesen ist, einen Freund zu haben, der auch in unscheinbaren Dingen für einen da ist. Er ist angewiesen auf Gewährung einer Zuflucht in eines Freundes Haus vor der Nacht, vor dem Drohen aus dem Dunkel und der Ungeborgenheit. Einer ist gegangen und angekommen, um zu klopfen und um zu bitten, weil das Fremde, Unheimliche hinter ihm her war und nach ihm griff. Die in den Häusern haben die Türen geschlossen, essen und schlafen in Sicherheit. Der Freund macht die Türe auf.
Aber er hat nichts, was er geben könnte, in der Nacht, außer, dass er ihm die Türe aufmacht und ihn in sein Haus holt. Aber dann hat er nichts, was er sonst noch geben könnte, außer, dass er sich aufmacht und sich selber auf den Weg macht, der ihm schwer fällt; aber er tut es, weil es für einen andren ist. Er selber muss vor einer Türe stehe und klopfen und: 'Bitte!' sagen. Er muss eingestehen, dass er für seinen Gast nichts tun kann. Er muss bitten, weil es um einen geht, der aus der Nacht zu ihm kam.
Auch wenn er mit leeren Händen und beschämt zurückkehren müsste, er muss zu einem gehen, der schon lange seine Türe geschlossen hat. Unruhe muss er verursachen und verlangt zu viel von der Freundschaft, die zwischen ihnen ist. Der andre ist ein Vater und hat die Kinder bei sich, die schon schlafen. Und er erwartet, dass der Vater seine Kinder wachmacht. Aber das Bedürfen des Gastes, der bei ihm wartet, treibt ihn an auch gegen den Widerstand, der sich vom andren her aufgebaut hat.
"Um seines unverschämten Geilens willen" erhält er, was er nötig hat, um seine Schuldigkeit zu tun an dem, der es nötig hat. Diesmal setzt er seinen Willen durch, auch wenn es ihm den Ärger des Freundes einbringt. Ein Ich fordert, verlangt, begehrt, um sein Gutes tun zu können. Ein tief gefühltes Begehren, ein tiefsitzendes Verlangen äußert sich, um geben zu können, um das Begehren und das Bedürfen eines Freundes zufrieden zustellen. Er muss geben, was der Andre braucht. Er fordert, dass der Andre ihm gibt, was er für einen andren braucht. Für das Brot für einen andren macht sich einer auf den Weg.
Einer hat nicht, was dem Gast zu geben wäre. Es ist nur ein bescheidenes Bedrängen eines andren, der versucht ist, diesem Drängen die Tür zu weisen. Wie ein Fremder steht er vor der Tür, um zu holen, was er weitergeben kann. Er bildet sich nichts ein, als er erhalten hat, was er brauchte. Der Andre hat nicht aus seiner Freundschaft für ihn gehandelt, er hat es nicht getan, um ihm zu helfen. Er hat es nur getan, weil er dem leidenschaftlichen Drängen ausweichen wollte. Aber er hat es getan, wenn auch nur, damit der Störer verschwindet, um dann nur noch mit Unwillen an den aufdringlichen Besuch zu denken.
Leidenschaftliches, tiefsitzendes, voll erlebtes Begehren entfaltete sich, erzwang Gehör, forderte heraus, nötigte.
Das leidenschaftliche Bedrängen war notwendig, um einem Andren als Helfer nahe sein zu können.
So hat sich Jesus begriffen, wenn er alleine war, um zu beten, dass ihm gegeben wird, um für sein Geben das Notwendige zu haben. Er erzählt aus Erfahrung. Mit leidenschaftlichem Bedrängen hat er gesprochen, sein Bitten herangetragen, sich nicht abweisen lassen.
Wenn die Geschichte, die er eben erzählt, auf einen Hintergrund bei ihm selber schließen lässt, dann erhört Gott nicht nur, weil er als der Vater im Himmel angerufen wird. Das Bitten bricht aus einem tiefen Bedürfen hervor und drängt an Gott heran. <Mach mir keine Unruhe!> Die verschlossene Türe hält es entgegen, die Stimme von drinnen redet so, Abstand ist zu halten, Eindringen ist untersagt.
Nur um der Hilfe willen für seinen Gast in der Nacht ist der Freund losgegangen, überwand seine Scham und bettelte. Es musste zu holen sein, was er selber nicht geben konnte. Immer wieder gehört, bitter erlebt, schmerzlich erfahren: dieses: 'Du machst Unruhe! Verschwinde! Mach uns keine Unruhe!'
Viele standen seitdem beschämt, wenn sie herandrängten an ihre Mitmenschen um der Hilfe willen, die für andre notwendig war. 'Diese Türe öffnet sich nicht für dich.' Der Zugang bleibt verschlossen.' Da ist niemand, der in einer Türe steht und den ansieht, der vor der Türe steht, um zu sagen: 'Komm herein!'
Erfahrungen stehen dahinter. Bitten, Ansinnen, das Erwarten anderen Lebens ist eingesunken in das Innere, auch wenn die Türe geschlossen blieb, die Stimme draußen schwieg, die Schritte sich entfernt hatten, die Ruhe gewahrt blieb. Eingedrungen ist doch etwas von dem nicht erhörten Bitten und geblieben danach, versunken und verborgen in dem Grund, aus dem heraus es bitten muss: 'Vergib uns unsere Sünden!' Es bleibt nur die Hoffnung, dass andere es ernst meinen mit ihrem: 'Denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig geworden sind.'
Wenn einmal das Haus zusammenbricht, das Schutz gewährte vor dem Andringen der fremden Stimmen, der drängenden Bitten, kann der Nachhall dieser Stimmen, die nicht erhört, die zurückgewiesen wurden, furchtbar laut und durchdringend werden.
Eindringlichkeit, Gewissheit auch, begleitet sein Auffordern: <Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben" suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan!>
Er ist so sicher, als er das sagt. Seine Erfahrungen widersprechen nicht dem Glauben, dass es geschehen wird, wie er gesagt hat. Ihm ist gegeben worden, er hat gefunden, und ihm ist aufgetan. Er gibt nur weiter, worin er selber sicher ist.
Bitten wendet sich an Gott, überwindet das Zögern, eigene Not zu zeigen, um Hilfe zu bitten. Vor Menschen wird es zur tiefen Erniedrigung, zu Entblößung, wenn bekannt werden muss, dass die Vergebung von Schuld gesucht werden muss. Sinnlos scheint es, wenn Menschen erreicht, gebeten werden müssen, die schon Gott nicht mehr erreicht. Vergeblich scheint die Suche nach Vergebung bei denen, die schon gegangen sind, die vor einem das Leben trugen und denen das Leben zu danken wäre, das einen selber trägt. Niemand erreicht sie mehr, auch nicht das Angebot, ihnen zu vergeben, was sie einmal hatten schuldig bleiben müssen.
'Gott! Sei gnädig!' 'Tilge meine Sünden» schrieen Stimmen aus dem Dunkel. Gott konnte hören, wenn es leise herandrang: 'Entsündige mich!' Gott alleine konnte geben, wonach das Bitten ging, wozu es drängte aus der Erfahrung der Not, des Bedürfens: <Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen beständigen Geist! Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!> (PS 51)
Ein reines Herz erkennt, wieviel Schuld es trug und hat dabei das Leid gefühlt, denen, die an ihm schuldig waren, nicht vergeben zu haben.
Viel an Dunkel blieb, das auf den Geist derer überging, die Erben der alten Vergangenheit waren, ihrer Erfüllungen aber auch von allem Leben, was verfehlt wurde.
Nicht mit klarer Flamme, nicht rein und makellos hatten die Opferfeuer gebrannt, nicht den Worten Kraft gegeben, wenn das Brennen des Geistes nach dem Erkennen, nach dem Erkanntwerden und dem Offenbarwerden vor Gott griff. Wie der Qualm von Feuern, die nicht aufbrennen können, war der Geist geworden, wenn das Innere der Menschen keinen Einlass, keine Aufnahme geben konnte, wenn keine Antwort gefunden wurde, das Reich nicht geöffnet wurde, in dem die Früchte des Geistes wachsen und ihre Früchte tragen. Eine Frucht des Geistes ist die Fähigkeit, Schuld zu sehen und Schuld zu vergeben, Tun und Tätigkeiten, Geschehen und Geschichte als einen Zusammenhang von Schuldigwerden und Schuldweitergeben zu erkennen.
Eine Frucht reift heran in der Bereitschaft, diese Lasten auf sich zu nehmen und das Weitertragen der Lasten des Vorwurfes fortzunehmen und selber die Schwere der Pflicht zu fühlen, wenn Erkennen und Vergebung von Schuld zum notwendenden Handeln werden soll.
Ganz ohne eigenes Zutun kann etwas angetan worden sein, was ein Leben als Schuld erlebt, die nie abzutragen ist. Verletzungen trägt ein Leben mit sich, an der ein anderes Leben die Ursache war und Schuld hat. In guten Augenblicken ist dann ein Nachhall einer Stimme zu hören, mit der es leise noch spricht: 'Vergib mir, ich bitte dich - ich wollte es nicht!'
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