'Das alles habe ich gehalten!' sagt ein junger Mann, steht da, sieht Jesus an: 'Was soll ich noch tun?'
'Das alles habe ich gehalten!' sagt der Herr, wartet, sieht an Jesus vorbei, 'Was habe ich davon?'
Die Erfüllung aller Gebote hat ihm keine Erfüllung gebracht. Das Gefühl eines Fehlens geht mit, weil sein Gewissen geschärft worden ist, jeden Fehler zu merken, alle Sicherungen zu beachten, die einen vor dem Absturz schützen.
Dann hört er die Stimme: "Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast - und dann - dann kannst du kommen, um nachzufolgen."
Dann wendet sich Jesus denen zu, die ihm nachfolgen und dafür verließen, was sie besagen und nun merken, daß Jesus dem Anderen, dessen Möglichkeiten und Ansehen ihnen hätte zugute kommen können, nicht entgegenkommt. Bei dieser Forderung kommt sie das Entsetzen an.
Jesus wendet sich ihnen zu und sagt dann: <'Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen!'> Sie, die zu den Armen gehören, werden von der Furcht beschlichen bei dieser Vorstellung, die über die ausgesprochen wird, von deren Wohlergehen sie abhängig sind. Von deren Entscheidungen hängt ihrer aller Geschick ab. Für die Armen scheint keine weitere Aussicht zu bestehen, als daß sie als Arme ihr Leben fristen müssen und sich zufrieden geben müssen mit dem, was von der Herren Tische für sie abfällt.
<Wer kann dann selig werden?> fragen sich die Jünger.
Wer kann sich dann noch retten, wenn schon den Reichen keine Möglichkeit mehr bleibt, die alles erreichen, was sie wollen und selbst in den Untergängen immer noch den Kopf oben behalten?
In der Erzählung steht: <Jesus sah sie an -> Er sieht diejenigen an, die sich für seinen Weg entschieden haben und bereit sind, wirklich zu tun, was er von ihnen fordert und doch nicht wirklich glauben können, daß am Ende des Weges Erfüllung steht.
Sie sehen in diesem Augenblick etwas von der Forderungskraft, die aus einer Erfahrungswirklichkeit herkommt, für die sie nur blasse Namen haben und in die einige von ihnen nur für Augenblicke hatten hineinsehen können.
Wenn schon die Reichen nicht ins Himmelreich gelangen können, wie soll es dann den vielen Anderen gelingen?
Die Reichen können nicht zu Armen werden, wie auch die Armen nicht reich werden können. Die heimliche Frage geht mit, begleitet von der tiefsitzenden Mißgunst, die jedem entgegengebracht wird, der reich ist und die selbst dem gestürzten Hiob entgegenkam, der auf die Solidarität der Armen und Elenden angewiesen war. Da er nichts mehr hatte, worüber er verfügen konnte, konnte ihm das Dasein als Elender auch nicht gelingen. Dazu war er genauso wenig geschult und ausgebildet wie der junge Herr oder der Obere, der für die Verwaltung des Reichtums sozialisiert worden ist und nicht bestehen kann unter den harten Bedingen einer ihm fremden sozialen Schicht, wo mehr Stärke abverlangt wird, als er aufzubringen fähig ist.
Die Geschichten von den Armen und Elenden werden nicht erzählt und werden nicht berichtet: Erfolgreiche ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Man muß glauben, daß sie genügend von der Kraft besitzen, um es sicher 'hinauszuführen', wie Jesus das nannte (14,28).
Hiob war seinen Weg weitergegangen, als Gott für ihn nicht mehr derjenige war, der behütete und bewahrte und über alles wachte, was das Dasein sicherte. Als Bericht einer Erfüllungserfahrung ist seiner Geschichte keine Anerkennung geworden.
Auf den 'Stühlen des Mose' wurde ihm kein Platz eingeräumt. Die Geschichte eines Offenbarwerdens der Wirklichkeit und des Leidens eines Menschen blieb seltsam verborgen.
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