Jenen Menschen gab es in der Schrift, Hiob, einen Reichen, dessen Geschichte einem erst bewußt machte, was einen in Wirklichkeit von den kleinen Leuten trennt, denn er hatte beide Existenzen gelebt, nicht aus freiem Willen. Auch in der abseitigen sozialen Umwelt, in der gezwungen war zu überleben, hatte er nicht vergessen, wer er gewesen ist: <'Wenn ich ausging zum Tor der Stadt und meinen Platz auf dem Markt einnahm, dann sahen mich die Jungen und verbargen sich scheu, und die Alten standen vor mir auf, die Oberen hörten auf zu reden und legten die Hand auf ihren Mund, die Fürsten hielten ihre Stimme zurück. Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich glücklich, und wessen Auge mich sah, der rühmte mich. Der Segen des Verlassenen kam über mich und ich erfreute das Herz der Witwe.
Gerechtigkeit war mein Kleid, das ich anzog, und mein Recht war mir Mantel und Kopfbund. I c h war des Blinden Auge und des Lahmen Fuß. I c h war ein Vater der Armen, und der Sache des Unbekannten nahm i c h mich an. Sie hörten mir zu und schwiegen und warteten auf meinen Rat. Nach m e i n e n Worten redete n i e m a n d mehr. Wenn i c h ihnen zulachte, so faßten sie Vertrauen, und das Licht meines Angesichtes tröstete die Trauernden. Wenn i c h zu ihnen kommen wollte, so m u ß t e ich obenan sitzen und thronte wie ein König unter der Schar.> (Hiob 29)
Klar und wissend ist beschrieben, was das Bewußtsein eines Ichs ausmacht, das oben ist. Alles, was Menschen geben können, ist für ihn da. Ihm wird Platz gemacht, ihm wird der Weg freigemacht. Ihm widerspricht niemand, selbst die Fürsten zögern, gegen ihn die Stimme zu erheben. Ihm wird Zutrauen geschenkt, sein Angesicht ist es, das tröstet, sein Zulachen genügt schon, damit sie vertrauen. Er sieht sich selber gezwungen, obenan zu sitzen und muß sich wie ein König behandeln lassen. Die Leute kommen ohne 'ihn nicht aus.
ER erhält den Segen der Verlassenen, das Herz der Einsamen wendet sich ihm zu - seine Menschlichkeit spiegelt sich in den anderen, und sie sind ihm deshalb dankbar. Und Gott selber sieht auf ihn, achtet ihn, schützt ihn - Gott ist ein Teil seiner Welt. Er weiß es, die Anderen wissen es. Auch wenn Gott fern ist, so kennt Gott ihn.
"Woher kommst d u ?" hatte Gott gefragt. Woher kam der Bote der Welt, der als Engel denen zugehörte, die um Gott waren ?
Woher kam er, daß er sich fragen lassen mußte? Es ist eine große Ferne, aus der dieser Engel herkommt. Aber einer ist es, den Gott dort kennt, in jener fremden fernen Welt, jenen Hiob. Nach ihm geht die Frage. Nach einem nur wird gefragt. Nach den Anderen jedoch, nach dem, was über die Vielen hintreibt, sie zerreißt, sie quält, wie sie sich gegenseitig schinden, geht die Frage nicht. Es ist nicht zu berichten und mitzuteilen im Glanz der Engel.
Hiob hat sich mit dem Gewand und seiner Rolle, die ihn schützt, schon lange verwechselt, ausgewechselt das menschliche Herz und den Anruf des eigenen Selbst.
Dann kam der Zusammenbruch. Alles war fortgenommen, was ihn umkleidet hat. Er war nur noch ein Mensch unter vielen andren Menschen. Was ihn zum Menschen gemacht hatte, war verloren: <Jetzt verlachen mich, die jünger sind als ich, deren Väter ich nicht für wert geachtet hätte, sie zu meinen Hunden bei der Herde zu stellen, deren Stärke ich für nichts hielt, denen die Kraft dahinschwand, die vor Hunger und Mangel erschöpft sind, die das dürre Land abnagen, die Wüste und Einöde. Aus der Menschen Mitte werden sie weggetrieben: man schreit ihnen nach wie einem Dieb; an den Hängen der Täler wohnen sie, in den Löchern der Erde und in Steinklüften zwischen den Büschen schreien sie, und unter den Disteln sammeln sie sich - gottloses Volk ohne Namen!>
„Gottlos' sind sie, die keinen Namen haben.
Aber er selber ist unter ihnen noch viel weniger: <Sie verabscheuen mich, halten sich ferne von mir und scheuen sich nicht, vor meinem Angesicht auszuspeien.>
Ihre Stärke hielt er für nichts, weil nichts von ihrem 'in der Welt sein' beweisen konnte, daß sie Kraft und Stärke hatten, weil sie keine Mittel hatten, um zu demonstrieren, daß auch sie Menschen waren: Lebewesen ohne Land, ohne Herkommen, ohne Namen.
Sie konnten sich keinen Namen machen, fristeten als Asoziale ihr bloßes Dasein.
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