Kapitel 5, Vers 1/3

Das war in einer fernen Zeit gewesen .

Zu ihrer Zeit wohnen sie in einem Lande, das ihnen Heimat ist. Sie hören nicht dahin, was als Gottes Stimme unter ihnen aufbrach, die von Ländern sprach, in die sie gehen würden - nicht sie selber, sondern die Kinder ihrer Kinder - in Zukünften, in die niemand hineinsehen konnte. Von wo dann Jemand zurücksehen müsste, wo dann dieses Land, seine Städte, sein Tempel, seine Dörfer und Häuser und Gärten nur noch Geschichten, leuchtende Geschichten sein würden, die am Abend einer dem Anderen erzählen würde: Erzählen, von woher sie einmal gekommen waren, denn ferne hinter ihnen auf dem weiten Weg lag ein Land, wo es einmal geheißen hatte: <Siehe! Ich will viele Fischer aussenden, spricht der Herr, die sollen sie fischen und danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen -> (Jer 16) Kein Meer wird ausreichen, um all die Fische herzugeben, die es brauchen würde, um ihnen den Hunger zu nehmen, der in ihnen ist.

Als ein fremdes Reich liegt das Wasser vor ihnen, eine spiegelnde Oberfläche, ein Boot: ein Mensch darin, Worte, die zu ihnen kommen, eine Stimme geht über das Wasser. Sie alle sind Kinder von Vätern und Müttern und sie selber sind Kindern Vater und Mutter, und die wieder werden Väter und Mütter: sie werden sie gehen lassen müssen, wie jene fernen Väter und Mütter der frühen Zeit ihre Kinder gehen lassen mussten; die konnten auf dem Weg in ein gelobtes Land gehen. Und wenn kein gelobtes Land wartet: auch ihre Kinder werden sie gehen lassen müssen. Sie werden noch gehen, wenn all das hier schon Erinnerung sein wird.

Das Wasser wird weiter an den Strand spülen, der See ist auch dann eine glänzende Fläche, ein Spiegel, der Himmel darüber, der einmal ihnen Heimat war.

In den Tiefen des Wassers lebt weiter ein Leben, ein vielfältiges und fremdes Leben für sie, lebt, frisst, wird gefressen, Jäger und Beute, und vieles in fremdartiger Gestalt. So werden sie eingetaucht sein in ein fremdes Meer, eingehüllt von fremden Himmeln, fremden Göttern dienen, Tag und Nacht. Dann bleibt das Warten darauf, daß ein Fischer kommt, nach ihnen sucht, nicht Fische sucht.

Er geht zu einem Boot, sieht die Fischer.

Er selber ist kein Fischer.

Am Himmel steht manchmal ein Zeichen, unter den Sternen, die Zeitenende und Zeitenanfang bestimmen. Sie sagten, über den Himmel geht ein Boot, ein Fischer stand darin, der in die Fernen sah, aus denen alles sein Herkommen hatte und die Fernen sah, in die alles hineingehen wird, von einem Herkommen an bis in ein Ankommen, und fuhr über den Himmel und warf Netze aus nach denen, die in den Ländern der Erde wimmeln.

Er sieht auf das Boot, sieht auf die Männer, bittet: <Fahrt auf die Höhe!>, bittet sie: ‚Bringt euer Boot über die Tiefe’.

Sonne liegt über dem Wasser, ein Boot, die Männer darin.

Ein Boot, der Spiegel davon in dem Spiegel, der die Tiefe deckt, Netze, die hinuntersinken. Alle kennen dieses Bild, haben das schon immer gesehen, und sehen doch nun zum ersten Male, wie in einem Spiegel, getragen von Worten, die sie erreichen, ein Bild der Wirklichkeit.

<Die ganze Nacht gearbeitet!> wird ihm hingeworfen.

Aber sie haben ihm gegenüber auch Anerkennung, Achtung vor dem, was der andre kann und worüber er verfügt. Achtung vor seinem Tun an der kranken Frau, seine Aufmerksamkeit, seine Ruhe dabei, seine Zuversicht, sein Ernst - wie bei einer Arbeit, auf Gelingen ausgerichtet und wissend, wie es gemacht werden muss. Aber sie sind Leute vom See, dies ist ihre Arbeit, dies ist ihr Boot und dies ist ihr Wissen, auch wenn sie zum ersten Mal dabei sind, wenn einer aus einem Boot heraus zu Leuten spricht. Ein Blick hin und ein Blick her, und die Männer verstehen sich. Sie haben die ganze Nacht gearbeitet. Aber sie haben auch nicht danach gefragt, was er die ganze Nacht getan hat und sich nicht gefragt, als er in das Boot stieg, wie das mit dem Reden gehen sollte und ob gerade das Boot von Fischern - wenn er doch in den Synagogen reden konnte und seine Hörer dort hatte - ?

Es war hell geworden, der Tag war gekommen, die Arbeit war nicht fertig; Leute wie sie hatten die ganze Nacht gearbeitet, andere hatten den Weg gemacht, um ihn zu finden.

‚Gearbeitet, und nichts gefangen -‚. Nichts, wofür es die Mühe gelohnt hätte. Auch hinter den Worten, die dem Anderen gehorchen, stehen Mühen und höchste Aufmerksamkeit. Eine kaum merkliche Neigung des Kopfes zu den andren hin genügt, sie rücken sich zurecht, ein Blick hinaus und über den Himmel, wieder ein Tag im Boot - für was?

Er hatte sie mit seinen Worten eingefangen. Aber Worte sind auch Zeichen für eine Wirklichkeit, die von Worten nicht zu fassen ist.

Wenn nun am hellen Tag die Fische ins Netz gehen - was überrascht dabei? Dass es gelingt? Dass es so viele waren? Dass es auf der Höhe des See’s geschieht?

Als an diesem Tag die Netze wirklich gefüllt werden, bricht der Schrecken ein wie Wasser aus der Tiefe in ein Boot einbricht.

Nicht wie Fische, als Menschen werden sie aus der Tiefe geholt. Es ist als ob sie aufgetaucht wären aus einer großen Tiefe, zur Menschengestalt berufen: Luft zum Atmen, Himmel darüber, eine Hand die zugegriffen und herausgezogen habe; eine Stimme die spricht: <Du sollst jetzt sehen, ob ich dir mein Wort erfülle!> Einer sagt: ‚Nein!’ Er bittet: ‚Geh - ‚Du siehst, ich bin es nicht wert, was du an mir tust!’ Aus der Tiefe stieg auf, was Gottes Hand geben wollte und bot an, was die Tiefe des Wassers geben wollte.

Dieser Mensch holte etwas aus ihm heraus, was ihm Frieden gab und er fürchtete sich, weil es doch auch nur für diesen einen Tag sein konnte und wußte schon um den Schmerz, der nach ihm greifen würde, wenn dieser Fremde in seinem Boot, der ihm wohlgetan hatte, ihn wieder verlassen hätte. Dann ist auch der Glanz dieses Tages vorbei - wie umsonst gewesen.

Aber Jesus ist nicht nur ein Lehrer, ein Helfer, ein Sprecher mächtiger Worte, die Antwort in den Hörern weckt, er holt noch mehr heraus, als ein gefülltes Netz.

Dem Fischer entringt sich ein Bitten: vor ihm, der versunken geglaubtes Erwarten weckte und aus der Tiefe rief. In seine Hand ist gegeben, was zu einem Schrecken wird, wenn gesehen wird, was die wirklichen Bilder hergeben von der Lebenstätigkeit, wofür Menschen leben und wovon sie ihr Leben beziehen.

<Fürchte dich nicht!> sagt die Stimme des Mannes, der in seinem Boot steht und sie über die Tiefe führte. Aber wie sollte einer sich nicht fürchten vor dem, was unter ihnen liegt und hinter ihnen ist. Jemand wie er kann nicht fortgehen, aber der Andere kann fortgehen von ihm: <Bitte, geh von mir -!> sagt er und wartet, was geschehen wird.

Auch auf dem See in diesem Boot ist Jesus nicht willkommen. Aber seine Hand legt sich über das Wissen der Bitterkeit, aus der Tiefe heraufgestiegen, in die alles einsank und nie wieder hätte zum Vorschein hätte kommen sollen. Niemand sollte sich das ansehen müssen, niemand von ihnen; es waren bloß Fische, die herausgeholt wurden, es sollte auch dabei bleiben. Ein Boot, das für die Arbeit da war, konnte nicht zu einem Grund der Heiligungserfahrung werden, mitten auf dem See, ohne jeden Schutz, in Gefahr durch die Arbeit und nun durch den Einbruch anderer Gewalten, denen misstraut werden mußte.

Die Hand Gottes konnte nach einem greifen, reichte bis in die Tiefe und holte hervor, wonach die Fischer nicht fischen konnten, weil sie Menschen waren. <Siehe! Ich will viele Fischer aussenden! Spricht der Herr, die sollen sie fischen!> (Jer 16) So ging das Wort einmal aus, um nach denen zu fischen, die Fischer sein wollten.

In welche Meere und Tiefen sollen sie die Netze auszuwerfen haben, welcher Himmel wird darüber stehen? In welchem Boot werden sie dann stehen? Nicht nach Fischen sollen sie die Netze auswerfen, sondern Menschen fangen.

Niemand von ihnen kann Menschen fangen wollen, und mit welchem Netz soll das geschehen können? Wohin sollen sie die Menschen bringen, wenn der Fang gelungen ist? Wie kann auch einer die Menschen aus ihrem Element reißen und einfangen wollen - wofür? Sie haben alle die gleichen Angst- und Furchtbilder in sich, vor den Händen, die nach ihnen greifen, vor den Messern, vor dem Schnitt, vor dem Hervorquellen der Innereien.

Es sind nicht nur Worte. Es ist die Wirklichkeit, die einer dabei fühlt. ‚Menschen fangen!’ Er hat das eben gesagt, wie einer, der nur sagt. Weil es wieder mal sein muss, nichts Böses, nichts, was einem Angst machen könnte, nur mühevoll ist.

Oder machen die Bilder Angst, die einer vom Menschen in sich trägt, erregen Schrecken, erwecken den Schauder vor der Menge an Menschen, die alle aus der Tiefe gezogen werden und in einem Boot miteinander über der Tiefe schweben?

Eine Antwort muss gegeben werden, wird gefordert.

Johannes hatte auch als Täufer Menschen fangen wollen, war wie ein Jäger, handelte nach dem Wort: <Danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen Felsklüften.> (Jer 16) Er hatte seine Stimme auch erhoben gegen die, die ganz oben sitzen, und seine Stimme hatte auch die erreicht, die in den Einöden lebten, sie von ihren Bergen geholt und aus den Klüften gezogen. Aber als er hinsah auf die Leute, die auf ihn hören wollten, da mußte auch er begreifen, daß es nicht genug ist, wenn die Leute nur noch nehmen, was sie brauchen. Es ist nie genug.

Die, die rauben und nehmen, sind nicht die Söldner. Es waren auch nicht viele gewesen, die einem andren ihren Mantel gaben oder ihr Brot teilten. Dann hatten sie nach seinem Leben gegriffen. Johannes war in der ‚Kraft des Elia’ gegangen und war jetzt ein Gefangener.

Und er hatte gearbeitet in seinen Nächten und seinen ganzen Tag und es ging schon zu Ende mit seinem Tag.

‚Fürchte dich nicht!’ hat die Stimme gesagt. Nichts ist, was jetzt Furcht machen kann, die Angst soll nicht sein davor, was die Menschen antun können!

Die Arbeit liegt vor ihnen, da ist der See, da sind die Häuser, in denen Frauen und Kinder leben, und da ist zugleich die Stimme, die zu ihnen geredet hat und sie das Zeichen erkennen ließ.

Der Blick geht zu denen, für die sie gearbeitet haben, wie andre vor ihnen. Sie begreifen die Worte, und nehmen die Botschaft auf, die ihnen sich erfüllen will. Ihre Leute müssen verstehen, daß sie einem Ruf folgen, der über das ganze Land gehen soll und Nachfolge fordert im Blick auf das, was kommen soll. Es kommt auf sie zu, wie aus der Tiefe der Nacht das Ungeheure aufsteigt, nach ihnen greift.

Vielleicht wird auch diesmal jemand wie Mose sich die Ältesten und die, die er finden kann, fischen, sich erjagen, mit sich nehmen und Gott wird etwas von seinem Geist auch auf die Anderen legen. (4. Mose 11)

Sie selber werden gehen und sich auf die Suche machen und mitbringen, wovon der Mann vom Boot aus gesprochen hat. Sie werden sich aufmachen und wissen, daß die anderen warten müssen, bis sie zurückkehren können. Sie werden zurückkommen. Sie gehen, weil sie den Menschen trauen, zu denen sie geschickt werden und die sie nicht zurückweisen werden. Gottes Wort wird nicht leer zurückkommen.

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