Kapitel 4, Vers 14/3

Das Wort der Schrift ist erfüllt: Anspruch kommt auf sie zu, die nun Jesus hören, da es sich mit ihm in ihrem Heute erfüllt. Dann ‚hebt er an’, mit seinem Sprechen, und spricht von dem, was ihm zugekommen ist. Und sie schenken ihm die Aufmerksamkeit des Hörens, und er füllt das Wort der Schrift mit seiner Gegenwärtigkeit. Etwas von dem Geist, der ihn geführt hat, ist auch vor ihnen mit ihm.

Still geworden ist das immerwährende Mitreden jenes Anderen, das alles gesehen und gehört hatte, des Dunkeln, in das alles verschlungen wurde, was geschah und was gewesen ist, und was gegenwärtig ist und Fragen stellt und hervordringen läßt den Zwiespalt, der in jedem ist, der das Wort hört. Gegen den Zwiespalt richtete mancher den Glauben, der ihn versuchen ließ, Gott zu versuchen.

Sie lassen ihn reden und lassen ihm den Raum für sein Reden. Doch müssen sie nachher zu einander sagen: <Ist das nicht Joseph’s Sohn?> Die Frage geht unter ihnen um, wie der ‚solche Worte der Gnade’ hat finden können, woher er sie hat, und warum sie ihm gehorchten, die Worte.

Und selbst die Zeit des ‚Heute’ hat sich ihm gegeben. Es war, als stünde die Zeit still und als habe die Angst geschwiegen und der Zwiespalt, als sie auf ihn hörten und auf seine Worte, und die Bilder sahen, die er vor ihnen erstehen ließ und sie sehen ließ. Eingegangen war er in ihre Welt, der von weither gekommen war, und sie haben ihm Einlass gewährt und seine Worte wahrgenommen, weil sie auch die Worte ihrer Schrift waren

Jedoch die immer mitgehende Stimme, die alles begleitet in ihrem Herzen, musste auch gehört werden, wenn sie sprach: ‚Er ist doch nur ein Sohn von Joseph, er ist doch nur ein Kind unserer Stadt!’ Er sollte deshalb etwas vorweisen und ihnen behilflich sein als Kind ihrer Stadt.

Sie versuchen, ihn bei sich zu halten. Er war doch dem Joseph ein Sohn gewesen und er gehörte zu ihnen. Ein Fremder jedoch steht ihnen gegenüber und hinter ihm die Reihe der Vielen als die Schatten von stummen Klägern: <Kein Prophet hat etwas gegolten in seinem Vaterland!> Die Menschen mit dem lebendigen Wissen kommen zu Worte, aber finden kein Gehör; ihre Lebendigkeit ruft Widerstand hervor und erfährt die Bosheit der Andren. Kein Wahrheitsbringer ist angenehm und willkommen, bestimmt nicht in seiner Vaterstadt.

<Aber!> muss er sagen - Aber - in Wahrheit -! Unausgesprochen, verschwiegen, ist die Menge der Entschuldigungen seit damals, als Propheten ihre Stimmen erhoben hatten. Nie sind sie wirklich aufgenommen und erhört worden. In Wahrheit lebt und redet ein prophetischer Mensch gegen den Widerstand an, den die geheiligte Ordnung dem Wort entgegensetzt.

Überall ist Not gewesen, und nur zu einem Menschen war ein Helfer gekommen. Die Leidenden gab es immer, manchmal nur war zu einem von ihnen ein Helfer geschickt worden. Sie merken, daß er sich ihnen versagt, er verweigert sich ihren Forderungen. Er redete, er sprach die Worte der Schrift und für einen Augenblick haben sie ihm glauben wollen.

Sie empfinden den Widerspruch: ‚Wer ist er denn, daß er es wagen kann, die alten Verwundungen und Verletzungen ihrer Seelen wieder aufzureißen’: ‚nur zu einem - nur zu einer’!

Der Vorwurf spricht, der zu den immerwährenden Vorwürfen des Herzens gehört: ‚Nur du bist ausgesucht, du bist beschenkt worden, du hast bekommen, was wir anderen nicht erhalten’.

Auf einmal wird auf die Anderen hingesehen: ‚Und die anderen, wo bleiben die? Sie warten umsonst!’ Und es bedeutet den Vorwurf: ‚Wir warten umsonst, wir rufen umsonst.’ Sie fühlen sich schuldig, weil sie neiden müssen.

Sie wollten selber nur einen Arzt haben, der für sie da war, nichts mehr, nur dieses Wenige. Einen Helfer und Heiler, der nicht helfen und nicht heilen will, muss man ausrotten; die Erwartung verkehrt sich in Hass und Wut, die kein Besinnen mehr kennt.

Ein Gott, der nicht geholfen hat, muss gestürzt werden - oder an seiner Stelle muss man einen Menschen opfern, in dessen Sterben Gott getroffen wird; ein Bild wird zerstört anstelle des Vor-Bildes, damit das Urbild getroffen wird.

Über dem steilen Hang des Felsens, auf dem ihre Stadt gebaut ist, lassen sie ihn stehen, stehen drohend hinter ihm. Schon einmal hatte er die Tiefe vor sich gehabt. Der Abgrund soll ihn verschlingen, sie heben die Hände gegen ihn.

Ihre Hände können nicht nach ihm greifen. Andere jedoch wird es geben, nach denen die Hände greifen. Andere werden in Abgründe gestürzt, die ihm nicht neiden, daß die Stille und das Schweigen um ihn waren.

Er sieht durch sie hindurch. Er erwidert ihnen nichts mehr. Er entzieht ihnen seine Kraft. Eine Mauer des Unsichtbaren ist um ihn her, es ist, als schütze ihn ein Schatten, in den sie nicht eindringen können. Sie stehen noch, als er fortgegangen ist. Er wird nicht zurückkehren.

Er ging mitten durch sie hindurch, wurde davon erzählt. Es war höchstes Können gewesen, unangefochten und still durch die Mauer, die sie bildeten, gegen ihren Widerstand hindurchzugehen, ohne Furcht, gewiss des eigenen Weges - und ohne Feindseligkeit.

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