Kapitel 8, Vers 19/1

‚Ich höre, wie Jünger hören!’ konnte er von sich sagen. Aber auch er gehörte zu Menschen, auf die er hat hören müssen und an deren Leben er Anteil hatte, wie sie an seinem Leben ihren Anteil hatten und immer wieder einforderten. <Sie wollen dich sehen!> hat man ihm gesagt. ‚Deine Mutter, deine Brüder und Schwestern sind draußen.’ Sie konnten ihn nur rufen lassen, wo sie doch ihn zu sehen gekommen waren.

Sie haben einen Anspruch auf ihn, sie gehören zu seiner Vergangenheit, sie wollen ihn wissen lassen, daß er immer noch zu ihnen gehört. Es geht so viel an Druck und Einspruch und Beanspruchung von ihnen allen aus, die auch was zu sagen haben. Jesus ist sicher, daß dem, der hat, auch noch gegeben wird, als er dann sagt: <Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die Gottes Wort hören - und tun!> ‚Diese, die Gottes Wort hören und t u n ! ‚.

Eine Regel ist aufgestellt worden, nach der sich ihr Umgang bestimmen soll, als Menschen, die trotzdem ihre Mutter haben, Brüder und Schwestern. Väter auch!

Aus einem verborgenen Grunde spricht er nicht von einem Vater, obwohl er wissen mußte, daß nach einem Vater zuerst gesucht werden würde, einfach, weil sie Menschen sind.

Eine andere Art von Verwandtschaft und Zugehörigkeit wird gesucht, für die alle Verbindungen unter Menschen nur wie Gleichnisse sein sollen. Aus denen, die das Wort hören und tun, muss eine Gemeinsamkeit erwachsen, die verbindet und trägt, und wo das Wissen der Geheimnisse Gottes allen gemeinsam ist.

Nicht, weil sie ihn getragen hat, bleibt sie seine Mutter, nicht weil er ihnen als Bruder vorangegangen war, bleibt er ihnen der Bruder. Der Ernst befremdet, mit dem das ausgesagt wird. Die Vorstellung läßt zaudern, daß die natürlichen bewährten Familienverbände und Geschlechterverbände abgelöst werden könnten durch Verbände, deren Bewährung noch aussteht.

Seitdem darf einer danach fragen, welche Brüder und Schwestern und Mütter mitreden, wenn in einer Muttersprache von Jesus und seinen Worten gesprochen wird oder auch vom Wort Gottes.

Menschen tragen in sich die Mühen und Verletzungen und dunklen Geschichten von ihren Vätern und Müttern her, die Gutes hatten weitergeben wollen. Vieles an Dunklem hat jeder an seine Kinder weitergeben müssen und trug dann an der Schuld, daß so viel von dem Licht verdunkelt geblieben ist, was ihnen hätte leuchten sollen.

Jeder hat zu einer Zeit des Lebens danach Ausschau gehalten, ob es nicht Brüder und Schwestern geben könnte, bei denen eine tiefere Gemeinsamkeit wächst, als sie die Familie gewährt. Jeder hat einmal eine Gemeinsamkeit ersehnt, die mütterlich trägt und nährt, unter alle gerecht und wissend verteilt und gütig ist.

Er hatte nichts von seinem Vater gesagt.

‚Euch ist’s gegeben!’ hat er nur gesagt, als seien sie es, die den Samen empfingen, der Wurzeln schlagen und aufwachsen sollte. Es ist ihnen gegeben, was nun Wissen und Erkennen ausmacht. Und doch mussten sie fragen. Vielleicht war es noch zu früh, nach der Frucht zu sehen, die erst noch wachsen muß und von Anfang an bedroht ist.

Selbst das Korn, das nicht aufwachsen konnte, sondern vorher schon verkam, hat einen Auftrag gehabt, der auch mit dem Zugrundegehen nicht zunichte gemacht worden ist, es aufwachsen zu lassen bis zur hundertfältigen Frucht oder zu einem <feinen, guten Herzen> und zur <Geduld>.

‚Meine Mutter!’ hat er gesagt. Sie mußte durch andre den Sohn bitten lassen, weil sie nicht zu ihm gelangte. Die anderen, die um ihn waren, hinderten sie. Andere waren ihm Mutter, Brüder und Schwestern geworden. Auf diese Menschen wollte er sich einlassen und hat dafür Mutter und Geschwister verlassen.

Er hatte viel mehr verlassen, seit die Stimme seines Vaters ihn erreicht hatte. Deshalb sprach er auch nicht von einem Vater. Seine Zuhörer hätten das nicht in ihr Leben hineinnehmen können. Sie hätten nur die Bilder, die sie von ihren Vätern hatten, den ihnen eigenen und denen, die davor waren, auf ihn übertragen wollen.

Die Brüder des Joseph wurden böse wegen seines Erzählens. Sie hatten keine Kraft übrig zum Träumen. Aber ihr Bruder hatte keine Mutter mehr und hing an dem Vater. Was von Joseph kommen sollte, war noch verborgen. Da gab es ein heimliches Hassen. Es half ihm nichts, daß er ein Bruder war und sie alle einen Vater hatten. Ihr Vater Jakob hatte nur gefragt: <Soll ich und deine Mutter und deine Brüder kommen und vor dir niederfallen?’> (Gen 37) Aber der, der sein Licht nicht verborgen halten wollte, und an einer unsichtbaren und noch verborgenen Last trug, der wollte dem Vater nicht die Brüder entfremden und auch nicht der Feind für sie sein.

Es sollte nicht verdunkelt werden. Sie hörten Worte, die sie etwas sehen lassen wollten. Einige von ihnen sollten erfahren, wie sich die Wirklichkeit dem Worte beugen kann.

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