Kapitel 8, Vers 16/1

Erst in einem Licht, das nicht die Menschen sich machen, werden die Geheimnisse Gottes offenbar. Deshalb sollte sich niemand ein Bild, ein Gleichnis Gottes machen.

Deshalb sprach er vom ‚Licht’, weil alle damit umgehen, weil Licht eine vorbereitete Beziehung des Lebendigen überhaupt ist. Niemand zündet erst ein Licht an, um dann zu verhindern, daß sich sein Schein ausbreitet. Niemand verfährt unsinnig mit dem Licht in der Alltagswirklichkeit.

Er macht aus dem, was jeder tut, ohne nachdenken zu müssen: ein Gleichnis. Jeden Menschen verlangt es nach Licht. Im Dunkel muss ein Licht leuchten. <Niemand zündet ein Licht an und bedeckt es.> Das Wissen davon ist jedem mitgegeben. Auch das ist eine Gabe, die niemand verweigern kann.

Bilder erschafft sich das Auge, nach Licht hungert es das Leben, in Gleichnissen wird die Welt erfasst.

Das Licht, das jedem leuchtet, hat vor allem Leben auf der Erde geleuchtet. Die Bilder machen die Menschen sich selber und erkennen darin, was ohne Bild ist und nur als Bild erkannt wird. Die Welt antwortet, wenn das Wissen ihr entgegenkommt, das gegeben wurde, bevor einer nur wissen und erkennen konnte.

Mein Lebenslicht! sagen die Menschen. Für sie ist es ein Gleichnis für die Lebendigkeit, von der sie ihr Leben haben. Beidem gilt die Angst, daß das Lebenslicht einem genommen wird und Angst haben sie ums Licht, das alles wachsen läßt und den kleinen Teil der Weit erhellt, in dem ein Leben sein zuhause hat. Dunkel steigt in einem auf, und Sorge ums Bleiben, wenn vor einem das letzte Licht des Tages versinkt. Dann ist das Erkennen einem nahe, das in dem Untergehen des letzten Lichtes ein Gleichnis enthalten ist. Das Dunkel ist wirklich wie die Angst vor dem Dunkel, in dem kein Licht mehr leuchtet, das Bilder sichtbar werden läßt, die von den Augen als Bild und Licht aufgenommen werden, damit sie hineinfallen in den Menschen, in den inwendigen Menschen.

Immer wieder hat er gesagt: Siehe! Seht! und hat dann nur gesprochen, Wörter gegeben, als können die Wörter ein Sehen bewirken, aus ihnen die Bilder hervorrufen, aus denen auch die Worte kommen.

Die Worte nutzen nichts, auch wenn sie aus dem Sehen herkommen, wenn sie von Menschen gehört werden, welche keine Bilder erwecken können und auch in einem einfachen Wort und Bild nicht erkennen können, was wirklich geschieht. ‚Hör mir zu!’ ist auch die Bitte, daß ein anderer teilnimmt an den Bildern und Erfahrungen, mit denen der Redende umgehen muss.

Jesus hatte nach einem Hören gerufen bei denen, die seine Worte hörten und aufgehen lassen sollten, was in sie hineingefallen war. Eine ungeheure Anstrengung erwartete er von ihnen, damit der Samen aufgeht in ihnen und Frucht trägt. Aber die ungeheure Anstrengung und Kraftentfaltung leistet in Wirklichkeit der Same, der sich zu seinem Recht durchringt. ‚Der Same ist das Wort Gottes!’ nannte er es, was da ausgestreut wurde auf eine Erde, die auch andere Samen aufgenommen hatte.

Und alle kämpfen ums Aufgehen, streben nach Aufwachsen und Überleben, um Raum, um Licht. Die Schöpfungswirklichkeit fordert es so.

Es gehört zur Eifersucht des Säemanns, daß er von seinem Acker die Frucht ernten will, um deretwillen er säte. Jedes menschlich Seelische trägt davon ein Bild in sich. Davon nährt sich das Wissen, daß sich alles Erkennen der Wahrheit auf der Grundlage der Liebe bildet. Wirkliches Erkennen braucht die Liebe zu dem, was es zu erkennen gilt.

Als Wahrnehmende sind sie gefordert, die Handlungsbilder in sich nachzuschaffen, die der ihnen erschuf, der ihnen in Worten die Wirklichkeit entstehen ließ.

Jeder will, daß sein Licht vor den anderen leuchtet und gesehen wird. Auch Jesus will, daß das Licht, von dem er spricht, gesehen wird.

„Selig ist, der nicht Ärgernis nimmt an mir!“ hatte er gesagt.

Auf den Feldern der Menschheit wächst nicht nur Korn. Den Feldern des Wissens, die in ihrer Erfahrung vorkommen, bleibt oft nicht die Zeit, zu ihrer Reife und bis zur Ernte aufzuwachsen. Dem Begreifen und Erkennen, was als gute Frucht auf den Feldern der Menschheit gewachsen ist, setzt sich der Widerstand anderen Wachstums entgegen.

Für den Augenblick ihres Ergriffenseins sind sie in sein Wissens- und Erfahrungsfeld hineingenommen und tragen Frucht. Der Reichtum, der für das Leben erhofft wird, und ‚die Freuden des Lebens’ schienen nicht mehr das einzige Ziel der Sehnsucht zu sein. Aber was würde sein, wenn sie auseinandergehen mussten, jeder in sein Leben mit Sorgen, in Armut, oder im Reichtum belastet und nicht entschädigt durch die Freuden des Lebens? Deshalb hat er gesagt: <Niemand zündet ein Licht an und - !>

Jeder geht so mit dem Licht um, das den engen Bereich seines Daseins erleuchtet. Aber mit dem Licht, das für sie leuchten soll, werden sie anders umgehen. Er sagte das so bedeutungsvoll und zugleich wie nebensächlich: <...auf daß, wer hineingeht, das Licht sieht!>

Es ist vielleicht auch ein Stück ihrer Sorge, daß es schädlich sein kann, wenn jeder, der bei ihnen hineingeht, gleich das Licht sieht, das ihnen leuchtet. Verheimlichen muss ein Menschen vor Menschen, daß er ein Licht hat, das ihm leuchtet.

Es wird manches Leben ein Licht am Scheinen hindern, damit nicht erkennbar wird, was im Dunkel bleiben muss, damit nicht sichtbar wird, was dem Licht nicht ausgesetzt werden darf.

<Denn es ist nichts verborgen>, sagte der, der auch Sünde vergeben konnte, <was nicht offenbar werde>. Eine Verheißung für die einen sprach daraus, für andere entstand eine Bedrohung: <Denn es ist nichts Heimliches, was nicht kund werde und an den Tag komme!> Nichts bleibt für immer verborgen; es wächst auf, drängt ins Licht, trägt Frucht. Noch nicht einmal die Sorge und die Freude des Lebens kann hindern oder ersticken, was zum Offenbarwerden getrieben wird.

In dem Licht, das gerade angefangen hat auszustrahlen, fangen sie an zu sehen - und werden angewiesen, auf ihr Zuhören zu sehen. <So s e h e t nun darauf, wie ihr zuhöret!> Angeregt durch die Gegenwart eines sprechenden Menschen, der zugleich ein Hörer und ein sehender Mensch ist, muss jeder merken, daß dem aufmerksamen Hören der Reichtum einer aus dem Kraftfeld der Seelen erwachsenden Bilderwelt zugesprochen wird. Jesus verlangt, von dem Hören ein besonderes und entwickeltes Können. Ein Hören, dem das Sehen zugehört, nimmt anders auf als ein Hören, das nur die gewohnten Signale des alltäglichen Dasein erhört und aufnimmt und darauf antwortet.

Das Hören, dem das ‚Darauf-Sehen’ eignet, lädt den Mitmenschen dazu ein, sich einzulassen auf eine Begegnung, „auf daß er das Licht sehe!“ Eine Ereigniswelt öffnet sich zwischen zwei Menschen - oder zwischen den Vielen, die ihre Gemeinsamkeit zum Tragen bringen.

Das Wort soll begriffen werden, übergehen in das Innere der Hörer, die das Wort nacherschaffen nach den im Inneren gegebenen Möglichkeiten.

Ein Raum bildet sich für das, was die Stimme einbringt. ‚Sprich doch zu mir!’ hat mancher Mensch erbeten von dem Dunkel, das sich um ihn gelegt hatte. Es muss eine Stimme sprechen, damit die Dunkelheit im eigenen, im fremden eigenen Inneren licht wird. Sie sind bei sich angekommen, sie sind bei ihm und mit ihm, der zu ihnen spricht, zu jedem spricht, solange die Stille anhält, in der sie ihrem Zuhören zusehen. Eine Stimme weckt das Antworten der Bilder im eigenen Inneren, weckt das Antworten im Sprechen.

<Wer da hat, dem wird gegeben!> sagt die Stimme. Jeder bringt einen Vorrat an schöpferischer Kraft mit, um sich ein Bild der Welt erschaffen zu können und um ihre Möglichkeiten zu wissen. So viele Zeiten liegen vor jedem Leben und Erfahrungen auch. Im Augenblick des Hörens wird das Antworten erschaffen. Ihr Teil am Werden der inneren Welt läßt die Ernte erkennen, die schon auf den Feldern der Welt heranwächst.

Schon einmal wurde zugesprochen: <Von nun an lasse ich dich Neues hören und Verborgenes, das du nicht wußtest. Jetzt ist es geschaffen. Du hörtest und wußtest es nicht, und dein Ohr war damals nicht geöffnet!> (Jes 48)

Vom Haben spricht Jesus, als seien Hören und Sehen eine Möglichkeit, ein Stück der Welt für sich haben zu können. <Denn wer da hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er meint zu haben.> Das war vorausschauend gesprochen über alles Haben an den Anteilen der Welt, mit denen Lebensberechtigungen zugeteilt werden. Ein Haben ist angesprochen, das ein seiner Wirklichkeit bewusster Mensch sein eigen nennt, selbst wenn er nicht besitzt, was die Welt an Haben und Besitz verteilt. Unerkannt, unsichtbar für andere, hat der hörende und sehende Mensch Anteil an einem Reichtum der Welt, zu dem der besitzende Mensch keinen Zutritt mehr hat.

Ein anderes Haben ist zugesagt worden, für das alles wie zu einem Gleichnis wird, was die Welt ausmacht, wenn Gott zuspricht: <Das Wort, das aus meinem Munde geht: ihm wird gelingen, wozu ich es sende!> (Jes 55, 10.11)

Wenn Jesus in Gleichnissen redete, dann war er da, wo andere vor ihm Hörer waren: < Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf daß ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: ‚Du bist mein Volk!’> (Jes 51,16)

In Jesu Worten klingen Worte nach, die älter sind als die eigenen: <Gott hat mir das Ohr geöffnet - und ich hin nicht ungehorsam und ich weiche nicht zurück!> (Jes 50,4.5) Die, welche das Licht sehen, das ihn erleuchtet, sind gewiss, daß Jesus es ernst meint: ‚Und ich weiche nicht zurück! Ich auch nicht!’

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