Segen sprach Isaak über seinen Sohn: <Völker sollen dir dienen! Sei ein Herr über deine Brüder! Wer dir flucht, sei' verflucht! Wer dich segnet, sei gesegnet!> ( Gen 27) Um Segen war dem Bruder bange und Furcht hatte er vor einem Dasein des Mangels. Der Vater hatte seine Hand gehoben zum Hinausweisen in eine Ferne, in die er selber nicht mehr hinsehen konnte und sagte nur: <Sieh, fern von den fetten Breiten der Erde soll deine Wohnung sein. Von deinem Schwerte sollst du leben! Es wird aber geschehen - >. Ein gutes Teil war Jakob zugefallen.
Sein Bruder Esau aber war deshalb dem Bruder nicht feind geworden.
Schwerter tragen die Menschen der Völker und ihrer Reiche. Der Engel über Jerusalem und dem Land wird sein Schwert nicht wieder in die Scheide zurückwerfen. Wie Esau werden seine Jünger gehen, 'ohne Anteil am Tau des Himmels droben.' Mangel werden sie haben und entbehren müssen; sie tragen kein Schwert, um sich schützen zu können - sie haben ein Messer nur, um sich darauf zu verlassen, gehen wie Verratene, wie Ausgestoßene -.
'Ich erschlage meinen Bruder Jakob!' hatte der Bruder hervorgestoßen - und es dann nicht getan.
Das Messer wird niemanden retten auf dem Weg, der vor ihnen liegt, der von diesem Abend seinen Anfang nimmt.
Auch das ist ein Mangel, beten zu müssen wie einer ihrer Vorfahren: <Denn ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert kann mir nicht helfen!> (Ps 44) Ausgeliefert in die Hände der Völker sind Menschen, die sich weder auf Bogen und Schwert verlassen können.
Und vielleicht auch kein Land, keine Burg und keinen Tempel mehr haben. Es ist ein Beten, ein Bedrängen, eine Zumutung, seine Zuflucht finden zu müssen im Wort: <Du hilfst uns von unsern Feinden!> Der Beter damals setzte sein ganzes Vertrauen in sein 'Du'.
Haben seine Augen sich abgewandt, hat er leise stöhnen müssen, als seine Brüder ihm bereitwillig gleich zwei Schwerter vorweisen konnten? Vielleicht nicht offen, aber im Verborgenen muß sich jede Hand wieder zum Messer hintasten, sich vergewissern, daß zur Not immer noch ein Schutz da ist, um sich zur Wehr setzen können. Das Leben bewahrt sich nur, wenn es mit der Schärfe der Waffe drohen kann. Es ist ein Segen, der den Verlassenen, den schon Verratenen gilt: 'Von deinem Messer wirst du leben'. Die dem Leben innewohnende Gewalttätigkeit des Lebendigen ist nicht geschwunden, nicht abgestorben, sie kann wieder erweckt werden, sie muß wieder erwachen, sie hat die Verheißung der Sicherung des Lebens nicht verloren. Selbst die Ähre schützt sich noch - selbst die Erfüllung kann nicht auf Abwehr verzichten. Das Gut des Lebens muß dem ihm drohenden Bösen wehren, der Hunger und die Bedürftigkeit des eigenen Daseins bedrohen den Hunger und die Bedürftigkeit der andren Leben. Das Leben wird noch manches tun müssen - und es dann vielleicht doch nicht tun.
'Es ist genug! Es reicht!' Zu bereitwillig, zu schnell schwindet die Betroffenheit, zu schnell ist jeder wieder seiner Welt zugewandt, zu schnell ist jeder wieder fähig, ein Mensch zu werden, wie sie alle sind.
Eine Bitte hat er an die Wenigen gerichtet, die mit ihm sind am letzten Abend: 'Betet, daß ihr stark sein möget -!'
Das hat nichts mit dem Messer, dem Dolch, einem Schwert zu tun - das ist: anders gemeint. Genug! Nicht mehr reden, Worte machen. Jeder wird sehen, wenn alles anfängt zu geschehen, der letzte Sommer aufsteigt.
Die Saat verleugnet sich nicht, wenn die Ernte sich der Sichel und der Sense beugt. Es wird geerntet werden auf allen Feldern der Welt. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen, was mit dem geschieht, was auf dem Feld gewachsen ist, das ihm das Leben ist.
Es ist besser, sich selbst nicht zu verleugnen mit dem Anspruch auf das Dasein, als das Leben zu verlieren und auf den Lohn im Himmel zu warten.
Weh denen, die ihn nicht verraten wollen - oder nicht anders können. Auch bei denen sind die Hände, die verraten können, immer dabei. Die immer gegenwärtige Gewalttätigkeit des Lebens bleibt. Wenn sie sich nicht gegen andre richten darf, muß sie beherrscht bleiben im eigenen Inneren. Wo das Leben selber viel an Verlust zu tragen hat, verleiht die Gewalttätigkeit dem Leben wieder Sinn, wenn es sich zur Wehr setzt, sich rächt am andren Lebendigen.
Von jetzt an werden Menschen am Gedächtnis dieses letzten Abends tragen, wo alles zu Ende ging - oder erst anfangen sollte. Er läßt die wenigen Mitmenschen das Osterlamm essen und sagt von sich selber: 'Ich werde nicht mehr essen.'
Durch Höllen werden gehen, die sich seiner Worte und seines Lebens erinnern, wenn sie 'mit dem Tod keinen Bund schließen' und mit dem 'Totenreich keinen Vertrag' eingehen, die 'Lüge nicht zur Zuflucht nehmen und 'Trug zu ihrem Schutz' machen. (Jes 28.15) Aber nur sie werden sehen, wenn das Reich Gottes kommt. 'Gott!' sagen muß das Leben und bitten: 'Laß uns nicht in der Sünde!' 'Bring uns nicht in Versuchung: hilf uns, daß wir uns verleugnen können, weil wir selber auch nur Menschen sind wie alle andren!' Und sehen hinein in die Wirklichkeit, tragen an der Erkenntnis, daß sie sich selber wissen und auch den Wunsch haben, um des 'Segens' willen den Mitmenschen zu töten, umzubringen, ihm zu nehmen, was er hat.
Beten wird jeder brauchen, damit die Kraft erhalten bleibt, sich selber zu leugnen, wie auch den Anspruch, ein Dasein zu haben - wie - scheinbar - alle andren Menschen der Welt auch, gerade die, auf die man hinsieht, weil sie im Mittelpunkt stehen, die Wohltäter genannt werden und gnädige Herren sind.
Aus der Niedrigkeit wird das Leben im Glauben erhöht, auch wenn es an der Kränkung im eigenen Selbst leiden muß.
Auch, wenn heimlich, im Verborgenen, in das nur der Vater im Himmel sieht, jeder versucht wird, den Griff nach dem Messer zu wagen, um das Recht des Lebens zu verteidigen - und um die innewohnende Gewalttätigkeit des Lebens zu fühlen, womit es angeht und sich zur Wehr setzt gegen die Verdunkelung, gegen die Verfinsterung, weil der 'Heiland', sein 'Retter', fortgenommen wurde. Verzicht muß geleistet werden auf die Hoffnungen, auf die Erwartungen des Glaubens.
Gott sieht ins Verborgene, weiß, was jeder braucht, wonach es jeden verlangt, im Innersten verlangt. Aber gebraucht wird die Fähigkeit des Glaubens, gegen den Mangel des Daseins den Glauben zu bewahren, daß das, was gewesen ist, gegenwärtig zu erfahren ist und im Glauben zu bewahrheiten ist. 'Dein Glaube hat dir geholfen!' hat er gerade zu Fremden gesagt.
Schwer ist es, Verdächtigungen und Verleumdungen zu ertragen auf dem Weg, den er vorausgegangen ist. Unmöglich ist es, sich gegen die Gewalttätigkeit zu wehren, die um der Wehrlosigkeit fast herausgefordert wird. Selber keine Gewalt üben, oder sich nur mit dem Messer zur Wehr zu setzen - oder mit dem Wort, macht sie wie zu Schafen unter dein Wölfen - ruft die Verfolgung, die Unterdrückung, die Ausbeutung fast unvermeidlich hervor. Denn sie selber sind wie Spiegel, in denen sich die Andren in ihrer wahren Gestalt erkennen werden: Ihr werdet wissen, was ihr zu sagen habt': dann - wenn es so weit ist. Das Reich Gottes wird ihnen nahe sein. Aber vielleicht werden nicht viele die Gelegenheit erhalten, vor den Mächtigen und Herren oder deren Erfüllungsgehilfen auch noch zu sagen, was der Geist eingibt auszusprechen.
Noch viele Male wird Gott mahnen: <Jakob soll nicht beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht erblassen!-> (Jes 29.22). Einmal wird das Joch abgeworfen. Einmal hat die Dienstbarkeit und Knechtschaft ein Ende, wovon Jesaja sagte, daß die Tochter Zion das Doppelte ertrug, als was Menschen zu tragen vermögen und in ihrer Menschlichkeit aushalten können:
<Tröstet! Tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet der Tochter Zion zu Herzen, sagt ihr, daß ihre Leidenszeit um ist, daß sie genug gebüßt hat. Denn viel zu schwer ist sie von mir schon bestraft für alle ihre Sünden!> (Jes 4o)
'Tröstet!' 'Tröstet!' muß Gott rufen lassen in alle Welt, damit erkannt wird, wo ein Kind des Friedens ist - und damit gehört wird: ' Gesegnet seien alle, die dich segnen!'
Weh hat er ausgerufen über den einen Menschen, der des Menschen Sohn verraten hat, der der Versuchung hätte widerstehen können, wo ihn doch sein Volk verriet. 'Weh den Menschen, die des Menschen Sohn verraten!' wird es von nun an heißen müssen in allen Ländern der Erde.
Viele Völker werden ihn noch verraten.
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