Aber einige haben doch über ihn nachgedacht und haben gewarnt, wohlmeinend, wissend, was wirklich gespielt wurde im Hintergrund: <Herodes will dich töten!> Ihr Rat ist: <Zieh von hinnen!> Das ist kein Spiel, das ist Todernst.
Der, der gejagt wird, wendet sich jedoch um und widersetzt sich dem guten Rat: <'Am dritten Tag werde ich am Ziele sein!'>
'Werde ich am Ziele sein!' sagt er, als bestimme er und nicht 'die' Andren, als liege es an ihm, an seinem Entscheiden, an seinem Planen, was über den Erfolg seines Weges den Ausschlag geben wird, sodaß er genau am 'dritten Tag' am Ziel sein kann.
Vom 'Umkommen' spricht er, vom Umkommen der prophetischen Menschen spricht er; sein Ziel wird er erreichen; als einer der Letzten von ihnen wird er ankommen. Aber umgebracht wird er werden, wie die Propheten vor ihm umgebracht wurden. Das wird ihrem Verständnis abverlangt. 'Heute und morgen - und dann ist noch ein Tag im 'danach', an dem er wandern wird. Und dann an einem 'dritten Tag' muß er ankommen an seinem Ziel.
Der Fuchs jagt den Hasen. Menschen jagen und töten, Menschen pflegen und hegen -und töten und nähren sich. 'Jerusalem!' schreit er, 'Jerusalem! Du tötest!'
Die große, die heilige Stadt steht über ihm - die Tage, die Nächte, die Jahre, die Zeiten sind über sie hingegangen, seit ein Kind zum ersten Mal die Augen zu ihr erhoben hatte.
Auf der Grenze vom Kind zum Erwachsenen ist er in ihre Tore eingegangen - eine Welt öffnete sich ihm, wie eine königliche Frau war sie ihm erschienen, damals, als sie über ihm emporragte und auf ihn zu warten schien, mit Herrlichkeit geschmückt und voller Verheißungen.
Der Himmel lag über ihr, und das, was seines Vaters war, wartete damals auf ihn, als es ihn gerufen hatte.
Der Schimmer, der Abglanz der Ewigkeiten auf ihren Mauern, der um ihren Tempel war, ist einem grauen Dämmern gewichen und dahinter steigt die Nacht schon auf, hinter der die Finsternis lauert und Sterne aufleuchten, die mit glühenden Augen auf ihn herabsehen.
'Du tötest!' schreit das Wissen aus ihm, Worte wirft er dem Entsetzen entgegen, als sich das wahre Gesicht der Stadt zeigt - ohne Maske, ohne Verschleierung, als nackte Grausamkeit.
Steine zum Steinigen - so viele Steine zum Töten - .
Eine Henne ruft nach ihren Küken, bevor der dunkle Schatten heranjagt, über sie herfällt - ein Rufen, bevor es zu spät ist bevor - .
Eine Mutter ist grausam geworden, wenn sie nach ihren Kindern greift - und - wenn Worte nicht wiedergeben, was an Grauen in einem Geschehen ist. Was aufgerichtet worden war zum Erhalten, was zum Heile hätte sein müssen - woran die Verheißungen, alle Erwartungen und die Hoffnungen hingen, das tötet - das tötet nun.
Der Grund, über dem einmal die Kraft Gottes erschien, ist zu etwas geworden, das den Tod gibt.
<Wie oft habe ich es gewollt -> Wie oft! Mit welcher Stimme wird da gerufen, wessen Stimme soll da gehört werden - die Stimme eines Menschen, das Rufen eines prophetischen Menschen, der Ruf der Mutter, das Schreien eines Tieres -: Das Rufen in einer Angst, die Tiere und Menschen gemeinsam haben: der Schmerz über die Kinder - und der Schmerz des Vorwurfes: 'Wie oft! Und ihr habt nicht gewollt!'
Die Stimme, die das Klagen hat und das Rufen und den Vorwurf trägt und den Schmerz, ist wieder wie die Stimme, die über den Anfängen, über dem ersten Erwachen und Schlafen war und einen ins Leben rief und im Dunklen sang, damit die Welt hell war und licht blieb - auch wenn die Finsternis um einen war.
Das kleine Leben war aus ihr gekommen und würde wieder hineingehen und muß noch einmal seine Zuflucht nehmen dort, wo die Stimme ruft und singt. Im letzten Augenblick, wenn der Tag verging, das Lied erwachte und die Stimme in den Schlaf sang, sollte alle Verlassenheit dem Leben abgenommen werden und der Mensch hinwegbegleitet sein aus dem Licht des Tages in die Nacht.
Dem Erinnern, dem Gedächtnis unzulänglich - nur im Gleichnis noch erkennbar: 'Wie oft - wie oft!' 'Hattest du vergessen - konntest du es wirklich vergessen haben?
Die Stimme? Ihr Rufen? Ihr Trösten?'
Ein Trösten, wenn der Tag vergeht, das Licht versinkt.
Die Welt vergeht.
|