Kapitel 13, Vers 22/1

<Und er ging durch Städte und Dörfer - und nahm seinen Weg - nach Jerusalem.> Es ist nur ein Gehen, sein Wandern, und folgt einem Plan. Seine Worte blieben zurück, seine Handlungen als Zeugen wie die Steine, die Wege anzeigen, welche schon lange nicht mehr gegangen werden.

Aber die Blicke folgen ihm und die Gedanken. Und auch böse Worte folgten ihm. - 'Wie der spricht!' 'Wie der redet!' 'Was der da tut!' 'Was sich da einer herausnimmt!'

Äußerungen des Widerspruchs, Äußerungen des Widerstandes. Und ist auf seinem Weg zur Stadt Jerusalem.

Unterwegs fragt ihn einer: <'Meinst du, daß wenige selig werden?'> Vorsichtig, leise, verlegen kommt die Frage und erwartet kaum ein Antworten; ein stilles Berühren, ein Blick würden genügen, um den Anderen zu versichern, daß er nicht alleine ist mit seinem Wissen und mit seiner Bescheidung, mit seinem Anteilnehmen am Weg eines Fremden, der auf einem Weg geht, der zu einem Ziel bringen soll - und der, wie die Wege der meisten, ins Leere, in ein Nirgendwo führen würde.

'Meinst du nicht auch, daß es nur Wenige sein werden, die den Weg zur Seligkeit finden!'

Viele haben geglaubt, daß die große Stadt auf sie wartete, um sie aufzunehmen, zu erhöhen und hat doch nur die vielen Leben mit ihren Hoffnungen verschluckt und verschlungen, war wie eine Mühle, die mahlen mußte, bis eines Tages auch ihr Mahlen ein Ende finden würde und alles ein Ende haben würde. Nur, ihre Seligkeit haben wenige gefunden.

Das Mitleid des anderen Menschen, der auch seinen Weg gehen muß, sagt nur: 'Auch du wirst deine Seligkeit nicht finden, da, wo du hingehst.'

Und Jesus antwortet : <Viele werden danach trachten, wie sie hineinkommen und werden's nicht können!>

Sie werden es nicht können. Nicht Können! Die große Stadt ist nur ein Bild, ein Gleichnis mit den Mauern und Türmen und Toren und in ihrer Abweisung und in ihrem fordernden Erscheinen denen gegenüber, die sich ihr nahen wollen, mit der Verheißung und Verpflichtung ihres Tempels und dem Vermächtnis einer großen königlichen Macht. Und ihrem Anspruch: 'Hier ist -!’

Eine äußere Wirklichkeit ist sie - die Stadt. Eine Burg, ein Tempel, die Mauern und die Tortürme, ihre Häuser und Straßen.

Ein Bild des Inneren, ist es: die Mauer, die Pforte, der Garten, der dahinter nur noch zu ahnen, zu glauben ist.

Ein Tor, eine Pforte - das Vermächtnis eines Gartens - zu dem der Zugang verloren ging, und dem das Trachten, ein Ringen galt, zu dem der Zugang zu erkämpfen sein mußte, und was sich in seiner Vergeblichkeit herausstellen mußte, wenn die Kraft erschöpft war, wenn die Kraft zu gering war, wenn das Andere in seinem Widerstand zu übermächtig war und nur das Trachten danach in den Erinnerungen seinen Platz behauptete im Wissen um das Fehlen, im Wissen um ein Entgangenes sich behauptete.

<'Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte eingeht!'> sagt Jesus, von einer engen Pforte spricht er, als könnte der Andre ihn verstehen und die Vielen anderen.

Ist es jetzt lange her, daß er diesen Weg ging, die Stadt vor sich sah - die Tochter Zion - die ihn einlud, als er fast noch ein Kind war - zum ersten Male den Weg mit den andren ging?

Nun geht er den Weg allein, hinauf nach Jerusalem. Von nun an! Einem Entschluß entspringt die Entscheidung, nach Jerusalem zu gehen, um dort einzudringen.

Ein Senfkorn nur ist es, was in einen Garten fällt -. Ein anderes Korn muß gesät werden.

Einmal war es gewesen, daß 'sein Vater' ihn gerufen hatte - und andre hatten auf ihn aufgepaßt, eine lange Zeit, durch Tage und ihre Nächte - einige von den Ältesten und Überlieferer des Wissens und der Erfahrungen und auch der Verheißungen.

Dörfer, Städte. Und Menschen. Menschen - :

<Von nun an, wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr dann anfangt, draußen zu stehen ->

Andere stehen draußen.

Nicht mehr er muß klopfen, warten, angewiesen darauf, daß ihm aufgetan wird, daß ihm Einlaß wird.

Das Tor bleibt geschlossen. Weist ab. Eine Luke wird geöffnet, zögernd, ein Gesicht sieht sie an, die draußen sind. Einer spricht: 'Die Tür ist geschlossen.' Und: 'Ich kenne euch nicht!' Es ist nicht mehr nötig, sie zu kennen.

Es ist nicht mehr wichtig, nach denen zu sehen, die draußen stehen - und erstaunt warten, fordernd warten, daß die Pforte aufgemacht wird.

Erwartung, Forderung, Begehren, Einklagen ihres guten Rechtes: Sagen ist, Reden ist: 'Wir sind es - wir kennen dich doch - du mußt uns kennen - erinnere dich - du kannst uns doch nicht vergessen haben - damals standest du doch vor unsren Häusern - wir haben doch - vor dir - du mußt es doch gesehen haben - wir haben doch gehört, wie du geredet hast - auf unsren Gassen - wir haben dich zwar gehen lassen - wir haben gegessen und getrunken - vor dir und wir hatten auch zu tun - es geht doch um mehr - jetzt!'

Ja, es ging um mehr - damals - es ging nicht um die Geschichten, um Widerspruch - um Kleinigkeiten - und um ein kleines Geschehen, das untergehen mußte im großen Geschehen, in dem alle Völker der Welt beteiligt sind - es war nur ein Bild, das mit dem Sauerteig.

Es ging um mehr. Der Weg war schwierig, die Pforte ist eng, der Zugang nicht zu erzwingen nun wird die Tür geschlossen. Ein Gleichnis? Kein Gleichnis mehr, nur, damit jeder versteht, wenn er vor der verschlossenen Türe steht. Niemand öffnet mehr.

Dann werdet ihr anfangen! <'Von da an -'>

Das ist doch: 'Nicht I h r seid es, die ich kenne! Und I h r seid es nicht, die jemanden wie mich kennen können!' 'Euer Herkommen ist mir unbekannt, Ihr seid nicht von meiner Art, I h r habt nichts mit mir gemein!!' Sie haben nichts dafür getan, daß er sie kennen müßte.

Wenn sie so genau wissen, wer es war, der auf ihren Straßen ging und dort reden mußte, wenn sie vor ihm gegessen und getrunken haben, dann werden sie auch noch wissen, mit wem sie selber gegessen und getrunken haben, in ihren Häusern. Und sie werden sich auch erinnern, mit wem er auf ihren Gassen ging. Sie müssen noch wissen, bei wem er draußen gestanden hat.

'Mit wem?' hallt es nach.

Er hat genau hingesehen, hat ihnen zugesehen, hat merken können, wie zu ihrem Genießen noch der Genuß einer Rede kam, die draußen auf den Gassen ihren Ort hatte, ihre Hörer und ihre Zuschauer. Sie waren Zuschauer gewesen. Und jetzt heißt es: <'Ich!' - 'Ich kenne euch nicht'!> Wie von weit entfernt kommt es: <“Wo i h r her seid!">

"Kenne ich nicht - muß ich nicht wissen!“

Das Anrufen, das Betteln nützt nichts mehr: 'Wir haben doch - 'Wir waren doch - wir! Deine Nächsten!' 'Du kannst doch nicht!' - immer noch: 'Dieser muß uns kennen'.

'Er muß uns hören - er muß auf uns hören - wir sind doch nicht die allerletzten - wir nicht - !'

Endlich, am Ende darf einer die Tür geschlossen halten, darf absagen allen Schuldigkeiten, darf einer sein ‚Nein' sagen : Ich muß euch nicht mehr Kennen, wir sind nicht von der gleichen Herkunft!' Und wirft seine Last ab.

Sie gehören nicht mehr zu den Menschen, die ihm nahe sind, für die er Verantwortung trägt und denen er es schuldig wäre, sie zu tragen und zu ertragen und zu entschulden.

Es ist vorbei mit den Einbildungen, zu den Ersten zu gehören und mit den Mühen und Streitigkeiten, sich einen Platz in deren Nähe zu verschaffen. Es hat keinen Sinn mehr, sich das Recht zu nehmen, darüber zu urteilen, wer zu einem gehört und wer den eigenen Kreisen fernzubleiben hat.

Die Furcht davor, unter den Letzten sein zu müssen, wird von der Angst eingeholt, die einen ergreifen muß, wenn das eigene Teilhaben nicht mehr möglich ist, wenn die Anderen 'kommen von Osten und vom Westen, vom Norden und vom Süden’ und teilhaben an der Gemeinsamkeit 'im Reich Gottes'. Die Lebensmühen waren vergeblich, sich einen Platz unter den Oberen zu erringen und sich zu behaupten vor anderen. Die Verzweiflung muß erkennen, daß es keinen Zugang mehr geben wird, daß das eigene Teilhaben nicht mehr erwünscht ist, das Mitmachen nicht mehr möglich und nicht mehr nötig ist: Ins Nicht-Sein geworfen, als Antwort das Elend, für immer ist die Welt verloren.

Kein Hoffen, kein Erwarten, kein Wort mehr füllt eine Traurigkeit, in der das Ich verloren ist, dem das Licht genommen worden ist und das nichts mehr vor sich hat als nur die Dunkelheit einer Nacht, die keinen Tag mehr kennt.

Es war in die Weite der Zeiten gedacht, es war vorausgedacht und hingesehen auf die, die kommen werden <vom Osten und vom Westen, vom Norden und vom Süden.> Ein Hinsehen war es bis hin zu den Letzten, den wirklich Letzten, die zu Ersten werden -wenn es erst 'so weit ist.'

Zeit und Räume halten ihre Grenzen nicht mehr, die Grenzen unter den Menschen schwinden und die Letzten werden: zu Ersten. Was aber werden die Letzten den Ersten voraushaben, an Wissen, an Begreifen, an Können? Als die 'Letzten' - bleiben sie derer ansichtig, die als Erste gegangen sind? Und bewahren sie deren Geschichten und deren Vergehen, damit sie zur Reife und zur Blüte bringen, was in den Ersten angelegt worden war?

Oder werden die Letzten auch nicht besser sein als die Ersten unter ihnen?

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