Kapitel 12, Vers 49/1

<Ich bin gekommen!> Es ist ausgesprochen. Er steht unter ihnen, Jetzt wird offenbar werden, wes Geistes Kinder die sind, die dem Menschensohn folgen.

'Ich bin gekommen!' sagt er endlich, nachdem schon so viele gewartet haben. Ihre Lichter haben nicht vergeblich geleuchtet in den Dunkelheiten ihrer Zeit. Sie hören ihn sprechen und vernehmen eine fremde Stimme; für einen Augenblick fürchten sie sich und denken daran, daß er gesagt hat: 'Fürchtet euch nicht!' Die Furcht vergeht und auch die Angst: Er ist gekommen.

<Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden!>

Langsam entsteht Begreifen: Ein Feuer auf die Erde werfen ist sein Wollen. Dazu ist er gekommen. <Was wollte ich lieber, als es brennte schon!>

Das ist aus dem Nachdenken gekommen über das, was da eben ausgesprochen wird. Alles tritt dafür zurück. Der Weg, der vor ihm liegt, leuchtet auf unter dem Licht der Erkenntnis: ein 'aber' tritt hinzu und läßt ihn sagen im Vertrauen, daß die Andren ihm jetzt zuhören: <'Aber! Ich muß mich zuvor taufen lassen!'>

Die Taufe im Wasser des Flusses ist nur ein Gleichnis gewesen. Seine Taufe muß erst noch kommen. Die Vorstellung von dem, was auf ihn zukommt, bedrängt und belastet. Furcht oder Angst oder das Wissen um eine schwere Aufgabe läßt ihn sagen:

<'Und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde!'>

Angefochten erleben sie ihn, in Bedrängnis durch das, was diese Taufe sein wird, die vollendet werden muß. Die Zuversicht der Mitmenschen, die es hören, ergreift tiefste Erschütterung, als er seinen Auftrag ins rechte Licht rückt. <'Meint ihr, daß ich hergekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden?'>

Doch, mancher hat geglaubt, daß mit seinem Kommen auch der Friede sich ausbreiten würde über die ganze Erde. Mit Wasser hatte der Täufer getauft. Der Geist Gottes hatte damals nach Jesus gegriffen. Die Vollendung seiner Taufe steht noch aus. Es soll vollendet werden, was damals begann.

"Sorget nicht um euer Leben!" sagte er, als sie noch nachdachten über die Menschen, die sich Schätze sammelten und nicht 'reich in Gott' geworden waren, bevor die Stimme sie rief.

'Sorge um dein Leben!' rufen alle andren Stimmen in der Welt und drängen sich auch an ihn heran. Aber sein Bewußtsein greift dorthin, wo 'des Vaters Wohlgefallen’ gilt, das 'Reich zu geben.' Es muß in einem Menschenleben vollendet werden, wozu der Heilige Geist gesandt ist.

Nicht 'den Frieden' zu bringen ist er gekommen. Ein Feuer erwacht, brennt, verzehrt, greift schon um sich. Einem Gleichnis ähnlich ist sein Reden vom Feuer. Widerspruch ist schon entstanden und Zwietracht hat auseinandergetrieben, was zusammengehörte. Sprechen trifft auf Widerspruch, Bewegung findet Widerstand, Erfahrung bewirkt Mißtrauen. Ein Mensch, der sagt: „Ich bin gekommen!" weckt Unruhe. Unruhe ergreift, was natürlich zusammengehört als Vater, Mutter, Kind, als Mann und als Frau.

Zwietracht ist aufgebrochen aus dem sicheren Boden ihres Daseins. Die Erschütterungen sind spürbar geworden. Sein Kommen zeigt Gefährdung an.

„Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst!" (Kap 9) hat er von allen gefordert, die begriffen haben, daß ihr Dasein in der Welt nur wie ein Gefäß ist, dessen Äußeres gepflegt werden muß und doch nur eine Schale ist, die dem dienen soll, was a!s Inhalt hineingegeben wird. Das verborgene Trachten der Herzen macht nicht, daß einer dem andren zugetan ist oder sogar einig mit dem Fremdartigen, was im andren Leben aufbrechen will. Ein Vater traut nicht dem Sohn, dem er doch Gutes gegeben hatte. Die Mutter glaubt nicht mehr der Tochter und mißtraut allem, woran sich ihr Herz hängen möchte.

Auf den Schatz, nach dem der Vater suchte, kann sich das Herz des Kindes nicht verlassen und den Glauben und die Geheimnisse des Herzens, an denen die Mutter des Mannes trug, kann die Frau dieses Mannes nicht behüten. Was natürlich zusammengehört in den Nestern des Werdens und Wachsens, trägt in sich den Zwiespalt und widersteht der Aufforderung, sich selbst zu verleugnen, um für einen neuen Inhalt bereit zu sein.

Für einen Augenblick ist er vor ihren Augen wie einer von denen, die durchs Feuer gingen und der Verheißung trauten: <'Du sollst nicht brennen!> (Jes 43) Es war ein alter Spruch, eine längst verwehte Erinnerung, durch deren Schleier noch die Gestalten der Vergangenen zu gewahren sind. Sie verbrannten nicht, als sie durchs Feuer gingen.

Mit ihnen war Gott, wenn sie durchs Wasser gingen und das geöffnete Tor vor sich sahen und der Stimme glauben konnten, wenn sie sprach: <Fürchte dich nicht, Israel! Denn ich habe dich erlöst!'>

Aber erst im Erreichen der Vollendung seiner Taufe wird sich die Wahrheit der Forderung: "Fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst!" gültig erschließen.

Erste Zeichen der Erlösung sind schon erschienen, wenn es möglich wird, die Feinde zu lieben, den Hassenden Gutes widerfahren zu lassen, zu segnen, wenn andre einem fluchten: oder wegzugeben, was einem gehört und den Menschsohn zu bekennen vor den Menschen, die töten können.

Es ist die Zeit gekommen, wo das Segnen aus der Kraft des Offenbarungsgeschehens wichtiger ist als das Fluchen und Verdammen aus den Unglücks- und Leidenserfahrungen zerstörten und getäuschten Lebensverlangens in einer Zeit, deren Zeichen nicht gesehen und erkannt werden.

„Von nun an werden fünf in einem Hause uneins sein!" lautet die Prophezeiung.

Die Zeit verlangt Erkennen und das Annehmen ihrer Zeichen.

„Heuchler!" nennt er, die doch bescheid wissen und sich richten nach den Zeichen von Wetter, Jahreszeit und sich mit ihrem Verhalten nach den Erfordernissen der Zeit ausrichten, die sie ihre eigene nennen und der sie doch unterworfen sind.

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